WEC: Neuer Porsche 919 Hybrid

Weltpremiere für den neuen 919 Hybrid: Bereits zwei Tage vor dem offiziellen Prolog zur FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC in Paul Ricard, Frankreich, präsentiert Porsche sein Rennfahrzeug für die diesjährige Saison. Der neue 919 Hybrid zeichnet sich vor allem durch eine stark weiterentwickelte Technik aus: Der Antrieb ist noch effizienter, die Aerodynamik noch mehr auf alle Strecken abgestimmt und das Gewicht einzelner Bauteile noch weiter reduziert. „Der mehr als 900 PS starke Le-Mans-Prototyp ist also bereit für die Titelverteidigung“, sagt Fritz Enzinger, Leiter LMP1.

Selbst das Farbdesign der dritten Generation des 919 Hybrid ist evolutionär: Im Debütjahr 2014 war der 919 weiß und trug den Schriftzug „Porsche Intelligent Performance“. Die ersten Buchstaben des Schriftzuges prägten auch die drei 2015er Rennwagen in den Grundfarben weiß, rot und schwarz. 2016 verschmelzen alle drei Farben zu einem neuen Design.

Neu sind auch die Startnummern: 2015 gelang beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans ein Doppelsieg. Porsche gewann den WM-Titel für Hersteller. Timo Bernhard (DE), Brendon Hartley (NZ) und Mark Webber (AU) wurden Fahrer-Weltmeister, sie starten nun mit der Nummer 1. Das Schwesterauto von Romain Dumas (FR), Neel Jani (CH) und Marc Lieb (DE) tritt mit der Startnummer 2 an. Das WEC-Programm umfasst in diesem Jahr neun WM-Läufe mit den 24 Stunden von Le Mans als Saisonhöhepunkt.

Die wichtigsten Merkmale des neuen 919 Hybrid im Überblick: Erstmals nutzt das Porsche Team das WEC-Reglement voll aus und setzt auf drei unterschiedliche Aerodynamikpakete, die ideal auf die jeweiligen Streckenanforderungen zugeschnitten sind. Mehr als drei unterschiedliche Auslegungen erlaubt das Reglement nicht. Zudem konnten das Gewicht des Vierzylinder-Turbomotors und sein Verbrauch verringert werden. Die beiden Energie-Rückgewinnungssysteme des Hybrid-Antriebs arbeiten noch effizienter. Für 2016 wurden auch die Komponenten des elektrischen Antriebs nochmals leistungsfähiger und effizienter. Das gilt für die optimierte E-Maschine an der Vorderachse ebenso wie für die Leistungselektronik und die neue Generation der Lithium-Ionen-Zellen in der selbst entwickelten Batterie. Eine neue Vorderachse erlaubt mehr Einstellmöglichkeiten, die ausgedehnte Reifenentwicklung mit Partner Michelin unterstützt eine verfeinerte Gesamtabstimmung des neuen 919 Hybrid.

Der Porsche 919 Hybrid, Modell 2016, im Detail:
Die Struktur des Porsche 919-Chassis bleibt für 2016 ebenso erhalten wie das hybride Antriebskonzept aus dem Zweiliter-Vierzylinder-Turbo-Benziner und den beiden Rückgewinnungssystemen (Bremsenergie von der Vorderachse und Abgasenergie). Porsche hatte schon 2014 auf dieses mutige und richtige Konzept gesetzt. Doch der erste Wurf bot vor allem hinsichtlich des Gewichts noch großes Potenzial, weshalb für 2015 ein neues Auto gebaut wurde. Für 2016 ist der Änderungsbedarf geringer, Porsche profitiert jetzt von der Konzeptstabilität.

WEC Reglement setzt auf Hybrid:
Das LMP1-Reglement verpflichtet Hersteller zur Hybridisierung und knüpft die Leistungsfähigkeit der Prototypen direkt an ihre Energieeffizienz. Das bedeutet: Es darf grundsätzlich eine hohe Energiemenge aus Rückgewinnungssystemen eingesetzt werden, negativ proportional dazu reduziert sich aber die erlaubte Kraftstoffmenge. Abgerechnet wird auf jeder Runde.

In der Wahl des hybridisierten Antriebskonzepts bietet die WEC große Freiheiten. Diesel oder Benziner, Sauger oder Turbo, Hubraumgröße, ein oder zwei Rückgewinnungssysteme – alles ist freigestellt. So rücken Innovationen mit höchster Relevanz für zukünftige Seriensportwagen ins Zentrum – für Porsche war dies das entscheidende Argument zur Rückkehr in den Spitzen-Motorsport.

Vierzylinder-Turbo mit Direkteinspritzung:
Die Verbrennungseffizienz und Gemischaufbereitung des Zweiliter-Vierzylinder-Turbo-Benziners, der die Hinterachse antreibt, konnte in enger Zusammenarbeit mit den Serien-Ingenieuren in Weissach noch einmal gesteigert werden. Auch das Gewicht des V-Motors mit 90 Grad Bankwinkel wurde erneut reduziert. Im Vorjahr betrug die Leistung des Verbrennungsmotors klar über 500 PS. Für 2016 erlaubt das Reglement jedoch nur noch eine geringere Energiemenge aus Kraftstoff pro Runde und reduziert die maximale Kraftstoff-Durchflussmenge. So verhindert das Regelwerk, dass die LMP1 endlos schneller werden und befeuert gleichzeitig den Eifer der Ingenieure, immer mehr Leistung aus immer weniger Kraftstoff zu generieren. Im Fall des 919 bedeutet dies rund acht Prozent weniger Benzin und Leistung. Anders ausgedrückt: ein Defizit von zehn Megajoule Energie pro Runde in Le Mans aus dem Kraftstoff. Das kostet etwa vier Sekunden auf der 13,629 Kilometer langen Runde. Durch die neuen Beschränkungen sank die Leistung des Verbrennungsmotors auf unter 500 PS.

Zwei Energierückgewinnungssysteme:
An der Vorderachse wird beim Bremsen kinetische Energie in elektrische umgewandelt. Das zweite Rückgewinnungssystem sitzt im Abgastrakt. Der Abgasstrom treibt – praktisch parallel zum Leistungs-Turbolader – eine zweite Turbine an. Sie nutzt überschüssige Energie aus dem Abgasdruck, die sonst einfach in die Umwelt entweichen würde. Die hier angewandte VTG-Technik, also die variable Anpassung der Turbinengeometrie an die Höhe des Abgasdrucks, erlaubt es, auch bei geringen Motordrehzahlen und entsprechend geringem Druck die Turbinenschaufeln anzutreiben. Die Zusatzturbine ist direkt an einen elektrischen Generator gekoppelt. Der so erzeugte Strom wird ebenso wie jener vom Vorderachs-KERS in Lithium-Ionen-Batteriezellen zwischengespeichert. Wenn der Fahrer den vollen Boost abruft, presst ihn eine Zusatzkraft in der Größenordnung von über 400 PS in den Sitz. Diese Leistung treibt über einen Elektromotor die Vorderachse an und verwandelt den Porsche 919 Hybrid in einen temporären Allradler mit einer Systemleistung von dann ca. 900 PS. Die Strategie, wann und in welchem Maß auf welcher Strecke Energie rekuperiert und abgerufen wird, entwickelt das Team permanent weiter.

Lithium-Ionen-Batterie als Energiespeicher:
Bei der Wahl der Speichermedien sind die Ingenieure in der WEC grundsätzlich frei. Die Konkurrenz bot zunächst Schwungräder und Ultracaps (elektrochemische Superkondensatoren) auf. Für 2016 schlagen alle den von Porsche aufgezeigten Weg der Lithium-Ionen-Batterien ein. Eine weitere wichtige Grundlagenentscheidung beim 919 Hybrid war die hohe Spannung von 800 Volt – eine Technologie, die seitens der Serienentwickler in der Konzeptstudie Mission E zum Einsatz kommt.

Energieklassen im WEC-Reglement:
Das Reglement unterscheidet vier Stufen von zwei bis acht Megajoule (MJ) abrufbarer elektrischer Energie. Maßstab ist die 13,629 Kilometer lange Runde in Le Mans, für die anderen acht Rennstrecken wird umgerechnet. Die hohe Effizienz des Verbrennungsmotors, der Rückgewinnungssysteme und des Energiespeichers erlaubte Porsche bereits 2015, als erster und einziger Hersteller die 8-MJ-Klasse zu wählen. In der höchsten Rekuperationsklasse begrenzt ein Durchflussmessgerät der FIA die Benzinmenge pro Runde auf 4,31 Liter. Ebenfalls ins Kalkül zu ziehen: Je leistungsstärker die Rekuperations- und Speichersysteme sind, desto größer und schwerer sind sie auch.

Beispielrechnung für eine Runde in Le Mans* (13,629 km):
2 Megajoule Rückgewinnung = 4,70 l Benzin = 3,70 l Diesel
4 Megajoule Rückgewinnung = 4,54 l Benzin = 3,58 l Diesel
6 Megajoule Rückgewinnung = 4,38 l Benzin = 3,47 l Diesel
8 Megajoule Rückgewinnung = 4,31 l Benzin = 3,33 l Diesel
*gültig von 01.01.2016 bis einschließlich Le Mans 2016

Bewährtes Chassis mit hohen Sicherheitsreserven:
Das Monocoque des Porsche 919 Hybrid besteht – wie auch in der Formel 1 üblich – aus Carbonfaser in Sandwichbauweise und ist in einem Stück gefertigt. Monocoque, Verbrennungsmotor und Getriebe bilden eine optimal versteifte Einheit. Während der Vierzylinder auch eine tragende Funktion im Chassis erfüllt, sitzt das sequenziell geschaltete und hydraulisch betätigte Siebengang-Renngetriebe aus Aluminium in einem eigenen Carbongehäuse. Für 2016 blieben Getriebe und Getriebeträger strukturell identisch, der Fokus der Weiterentwicklung für die Schaltzentrale lag auf der Gewichtsreduzierung.

Neue Vorderachse, starke Reifen-Entwicklung:
Für 2016 erhielt der Porsche 919 Hybrid eine neue Vorderachse und eine optimierte Hinterachse. Diese Maßnahmen verbessern Fahrdynamik und Fahrbarkeit. Nach den ausführlichen Testfahrten im Februar ist eine Performance-Steigerung seitens der Reifen von Entwicklungs-Partner Michelin zu erwarten.

Effiziente Aerodynamik für jede Rennstrecke:
Bei der Aerodynamik-Entwicklung für 2016 fährt Porsche erstmals dreigleisig. Bislang war Porsche für den ersten WM-Lauf der Saison einen Kompromiss eingegangen und hatte den 919 mit geringerem Abtrieb antreten lassen, als für die Strecke in Silverstone ideal wäre. Dieser Kompromiss war der Fokussierung auf den Saisonhöhepunkt in Le Mans geschuldet. Die französische Rennstrecke mit ihren langen Geraden verlangt derart geringen Luftwiderstand, dass der Abtrieb auf das Nötigste begrenzt werden muss. 2016 startet der 919 erstmals mit einem Aero-Paket für hohen Abtrieb in die Saison. In Le Mans kommt dagegen eine Version mit sehr niedrigem Abtrieb zum Einsatz. Für die anschließenden sechs WM-Läufe ein weiterentwickeltes High-Downforce-Paket erhalten. Mehr als drei Aerodynamik-Auslegungen im Jahr lässt das Reglement nicht zu.

Die aerodynamischen Veränderungen waren getrieben von einer weiteren Effizienzverbesserung und einem stabileren Verhalten in unterschiedlichen Fahrsituationen. Einflüsse wie Seitenwind, Balancewechsel in den Kurven, Gierwinkel- und Rollwinkelabhängigkeiten sollten weiter reduziert werden.

(c) Foto/ Meldung: Porsche

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