Er ist der Grandseigneur auf den Straßen. Nicht nur im Portfolio von Mercedes Benz, sondern über alle Marken hinweg. Vor wenigen Tagen auf der LA Auto Show frisch geliftet, rollt er ab 2016 in der nächsten Generation auf unsere Straßen. Dabei hätte er es noch gar nicht nötig, so frisch wie er technisch und optisch daher kommt, als immerhin über 60-jähriger. Mercedes Benz prägte mit dem SL getauften Roadster eine ganze Ära. Seine Wurzeln hat der Mythos im Motorsport: Der 300 SL Rennsportwagen (W 194) wird 1952 als Flügeltüren-Coupé und Roadster mit seinen Erfolgen in internationalen Wettbewerben zum Zündfunken für die Entstehung zweier faszinierender Seriensportwagen. Deren Geburt findet schließlich in New York statt: Dort präsentiert Mercedes-Benz im Februar 1954 auf der „International Motor Sports Show“ gleich zwei der heute längst legendären SL-Modelle: das Flügeltürer-Coupé 300 SL (W 198 I) und den offenen 190 SL (W 121). Auf der Basis des legendären “Gullwing“ kommt 1957 der offene Typ 300 SL Roadster (W 198 II) auf den Markt, der bis 1963 parallel zum Typ 190 SL gebaut wird.
Das aktuelle Modell hat erst vor einem Jahr einen neuen Motor erhalten. So hört auch unser Testwagen auf den noch ungewohnten Namen „SL 400“, anstatt des gewohnten „SL 350“. Allerdings verwirrt die neue Modellbezeichnung etwas, da der neue Antrieb nicht mehr, sondern weniger Hubraum hat. In diesem Fall wurde der 3,5 l Sechszylinder um einen halbern Liter auf 3 l Hubraum verkleinert. Gleichzeitig wurde aus dem Saugmotor mittels zweier Turbolader ein BiTurbo-Aggregat, welches gut 333 PS liefert. Das sind 27 PS mehr als beim Vorgänger, wobei die weniger auffallen, als der Zuwachs an Drehmoment. Das steigt von 370 auf stolze 480 Nm und ist merklich spürbar.
Unser Testwagen spurtet dank des kräftigen Motors in nur 5,2 Sekunden auf die magische 100 km/h Markierung zu, fast eine Sekunde schneller als der Vorgänger SL 350. Mehr als die über Jahrzehnte gelernte Mechanik diese nackten Zahlen interpretieren zu wissen, zählt aber das Fahrerlebnis im SL 400, der mit dem neuen Motor eine vollkommene Roadster Gelassenheit anstrebt.
„Der Mercedes SL ist wie das Bild des Dorian Gray – ewig jung!“
Auch wenn die neue fast komplett aus Aluminium bestehende Karosserie wieder zu seinen Ur-Genen „Sport Leicht“ zurückführt, ist er in Wahrheit nicht die Rennmaschine, sondern ein Gran Turismo. Eine souveräne Fahrmaschine mit der man einmal quer 5.000 Kilometer durch die USA fahren kann und wenn man etwas vergessen hat, fährt man eben noch mal zurück und holt es schnell.
Ein Beitrag zu seinem exzellenten Fahrverhalten trägt sicher auch das eher komfortabel abgestimmte Fahrwerk bei, das mit „Active Body Control“ die meisten Fahrbahnunebenheiten elektronisch rausfiltert. Als harmonisches Gesamtpaket präsentiert sich der SL 400 auch dank der Verbindung des neuen BiTurbo-Motors mit dem 7-Gang Automatikgetriebe. Schon nach wenigen Kilometern in der frischen Herbstluft unserer Ausfahrt, offenbart der SL 400 seine „Cruiser“-Mentalität.
Begleitet vom sonoren Brummen des BiTurbo steht Genuss ganz oben auf der todo-Liste des SL-Fahrers. Es ist mehr das gefühlvolle Gleiten, im Hemd mit Manschettenknöpfen, als in Jeans und Sneaker wie beim hauseigenen Sportwagen AMG GT.
Innen ist auch dieser (noch) aktuelle SL ein typischer Mercedes Benz. Die Interieur-Designer haben ganze Arbeit geleistet um eine behagliche 5 Sterne-Atmosphäre in einen Fahrzeuginnenraum zu zaubern. Exzellente Materialien und die für ein deutsches Premium Produkt bekannt hohe Verarbeitungsqualität. Mit dabei ist auch die neue Splitview-Technik für das Multimediasystem. Sie ermöglicht für 1.190 Euro Aufpreis , dass Fahrer und Beifahrer gleichzeitig auf dem ganzen COMAND Bildschirm zwei unterschiedliche Inhalte als Vollbilder sehen. Während der eine die Navigationshinweise prüft, genießt der andere auf demselben Display ungestört einen Film.
Zum letzten Update kam auch der für 2.618 Euro lieferbare Nachtsicht-Assistent-Plus an Bord. Der Nachtsicht-Assistent Plus kann bei Gefahr durch Fußgänger oder Tiere in unbeleuchteter Umgebung vor dem Fahrzeug durch automatische Umschaltung des COMAND Bildschirms auf ein brillantes Nachtsichtbild und Markierung der Gefahrenquellen warnen. Erkannte Fußgänger können darüber hinaus mit einer Spotlight Funktion angeblinkt werden. In unserem Testzeitraum funktionierte das System sehr gut und überzeugt mit einem großen klaren Bild. Wünschen würden wir es uns bei Schlechtwetter und Nebel, aber da funktioniert solch ein System, ebenso wie bei den Wettbewerben, leider noch nicht.
Der spektakuläre „Unique Special Point“ (USP) des SL ist nach wie vor sein klappbares Vario-Panoramadach. In 20 Sekunden klappt und faltet es sich auf oder zu, was nicht einfach nur eine mechanische Umsetzung ist, sondern einer Inszenierung gleichkommt. Wobei der SL keine Detailerwähnung benötigt, er selbst ist vielmehr als Ganzes über die Jahre zum Kunstwerk gereift.
Wer einen Gentleman als automobilen Begleiter sucht, wird in der oberen Premiumklasse mal wieder mit dem Mercedes Benz SL glücklich werden. Er ist immer noch der Allrounder in dieser Fahrzeugklasse, egal ob mit dem aktuellen Modell, oder dem frisch präsentierten.
Text: Bernd Schweickard
© Foto: Bernd Schweickard
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