Mit Godzilla und der GT Academy in der grünen Hölle
Mitte Oktober ist meist kein so idealer Zeitpunkt für einen Fahrtermin am Nürburgring. Auf der anderen Seite, wenn jemand der es kann am Steuer sitzt, kann es richtig lustig werden.
Am heutigen Tag steht ein media day der Nissan GT Academy an. Im Sommer konnte sich Marc Gassner (23) aus Kempen im Finale durchsetzen. Zum dritten Mal wurde eine eigene deutsche Wertung der Nachwuchs-Rennfahrerserie ausgetragen. Das Finale in dem sich der Betriebswirtschaftsstudent gegen seinen härtesten Gegner Danny Giusa aus Berlin durchsetzte, konnte spannender kaum sein. Beide lieferten sich im Race Camp auf der Traditionsrennstrecke von Silverstone in identischen Nissan 370Z ein Rad an Rad Duell, dass Marc Gassner am Ende für sich entscheiden konnte.
Nach der Zieldurchfahrt äußerte er sich im Interview „Ich war das ganze Rennen über unter starkem Druck von Danny. Es mag verrückt klingen, doch wie man am besten seine Position verteidigt und den Nissan richtig auf der Strecke platziert, lernt man bereits sehr gut auf der Playstation!“
Marc erhält nun ein dreimonatiges Ausbildungsprogramm von Nissan, dessen Schwerpunkt auf der Nürburgring Nordschleife liegt. Damit und der internationalen Rennfahrerlizenz ausgestattet, wird er auf einem Nissan GT-R NISMO GT3 beim 24h-Rennen 2015 auf dem Nürburgring eingesetzt werden
Sein Idol ist natürlich Michael Schumacher, dessen Geschwindigkeit, Konstanz und Arbeitseinstellung für ihn immer beeindruckend war. Kein Wunder das auch Marc Gassner Spa-Francorchamps als seine Lieblingsstrecke bezeichnet. Zu Nissan hatte er auch schon vor dem Gewinn der GT Academy einen Bezug. Er verfasste im Rahmen seines Studiums eine aufwendige Hausarbeit über die Aktivitäten des Unternehmens im Bereich Digital Marketing.
Heute trifft er auf seinen direkten Vorgänger, Florian Strauss, den Nissan GT Academy Gewinner von 2013. Und dieser hat in den letzten 12 Monaten mehrfach bewiesen, dass die Verwandlung vom Konsolenspieler zum Rennfahrer durchaus funktioniert. So fuhr Florian Strauss beim diesjährigen 24h Rennen am Nürburgring phasenweise ähnliche Rundenzeiten wie sein Mentor Nick Heidfeld. Beim Lauf zur Blancpain Endurance Serie in Silverstone sicherte er für Nissan den Sieg in der Pro Am-Klasse. Wobei man nicht vergessen darf, Florian Straus war nicht irgendein Konsolenspieler, er war auch auf dem virtuellen System schon richtig gut und setzte sich gegen mehrere Zehntausend Bewerber durch.
Und nun darf ich zu Florian auf den „Hot Seat“ um im grünen Nissan NISMO GT-R, liebevoll „Godzilla“ genannt, über die Nordschleife zu donnern.
Wie soll es im Oktober auch anders sein, es ist etwas feucht am Ring, aber Gott sei Dank, aktuell kein Regen. Jasmin Müller, die Pressebeauftragte der Nissan GT Academy, winkt mich zum Einsatz heran. Florian traf ich schon bei dem Nissan NISMO Festival am Ring (hier die Story) und freue mich ihn nun „Live bei der Arbeit“ erleben zu können. Helm auf und rein in das 600 PS Ungetüm.
Florian macht nicht lange rum und gibt Godzilla die lange Leine., lässt ihn toben. Das Tier frisst sich förmlich über die feuchte Nordschleife. Klar, ich selbst habe dort auch schon unzählige, für mich schnelle, Runden in meinem privaten Auto hinter mir und natürlich nicht mehr zählbare auf der Playstation bei Gran Turismo 5 und 6, aber hey, war hier nicht der Bremspunkt? Zumindest bremse ich hier immer. Florian sieht das anders, drückt noch mal aufs Gaspedal um in Sekundenbruchteilen später, den GT-R zusammenzustauchen. So, als würde er Godzilla an der Leine vehement zurückziehen. Mein Körper möchte nach vorne, der Physik folgen, da ich aber festgegurtet bin und über keine starke Halsmuskulatur verfüge, folgt nur mein Kopf mit dem Helm den Weg in Richtung Frontscheibe. Rein in die Kurve, Gaaaas, mein Kopf mit Helm überlegte kurz, wohin, um dann mit Wucht nach hinten in die Kopfstütze zu knallen. Ansonsten schlug ich ständig in Kurvenfahrten an der Seitenscheibe an. Der Unterschied zwischen „schnell Fahren“ und „Rennfahren“ ist einfach mehr als nur aufs Gas zu drücken.
Es erfordert ebenso einen athletischen Körper der jeden Tag trainiert werden muss, um diesen Belastungen gewachsen zu sein.
Keine Zeit mir Gedanken darüber zu machen, Florian lässt den GT-R durch die Eifel fliegen und ich schaue ihm fasziniert dabei zu, soweit es möglich ist, also wenn mein Helm mit Kopf nicht mal wieder den Fliehkräften in eine andere Richtung folgt. Ich bin fasziniert wie er Godzilla minimalste Impulse mit dem Lenkrad gibt, Bruchteile bevor der Wagen abzufliegen droht und wir eine Kaltverformung vornehmen. Das ist wohl der größte Unterschied, zwischen einem normalen schnellen Fahrer, der erst reagiert wenn der Wagen sich gerade anfängt zu drehen und einem Profi. Florian weiß exakt an welcher Stelle der Wagen was macht und reagiert schon vorher so schnell, dass das für den Normalo unvermeidliche eben nicht passiert. So kommen wir nach ein paar Drifteinlagen wieder unversehrt bei Start/Ziel an.
Während ich noch versuche meinen Puls unter Kontrolle zu bringen, erscheint mir Florian sehr relaxt und meint fröhlich „So, nachdem wir ja nun eine etwas langsamere Einführungsrunde hinter uns haben, hast du Lust, wollen mal eine richtig schnelle Runde fahren?“ Was? Mal eine richtig schnelle Runde fahren? Ich merke wie ich an den Gurt greife, alles sitzt fest. Sprechen kann ich noch nicht, nicke, obwohl ich schon jetzt furchtbare Nackenschmerzen habe und hebe den Daumen nach oben. Der Kopf sagt nein, aber das Herz sagt ja, also raus in den grünen Jurassic Park, noch eine Runde mit Godzilla reiten.
Text: Eike Lorenz
(c) Foto: Eike Lorenz