Mercedes Benz 300 SLS

300

Für mich steht die Zahl 300 nicht für die Anzahl der Krieger aus der berühmten Sage um den König Leonidas I von Sparta. Für mich ist sie am ersten Augustwochenende bei den Schloss Dyck Classic Days, wir berichteten hier, die Zahl zum Glück.

Als kurz vorher die Classic Abteilung von Mercedes Benz anrief und fragte, ob ich denn Lust hätte im 300 SLS mitzufahren, war klar, ein besonderes Ereignis steht bevor. Emotionale Vorfreude machte sich breit, vor allem als ich hörte, dass Roland Asch der Fahrer sein soll.

 

Roland Asch ist seit Anfang der Achtziger Jahre ein bekannter Name in der Motorsportszene. Dreimaliger Porsche 944 Turbo Cup Gewinner von 1987 – 89, Carrera Cup Sieger 1991 und zwei Mal Vizemeister in der DTM, sind die Etappen seines Motorsportlebens. Natürlich fuhr er auch Mercedes und ist der Marke heute noch verbunden. Nicht nur weil sein Sohn Sebastian, mittlerweile selbst ein erfolgreicher Rennfahrer, auf einem Mercedes Benz SLS AMG im Jahr 2012 ADAC GT-Masters Champion wurde.

 

Am Sonntag der zweitägigen Veranstaltung ist es soweit. Ich stehe an einem der automobilen Highlights der Klassikerszene und natürlich insbesondere der Mercedes Benz Fans. Der 300 SL Gullwing gehört zweifelsohne zu den Legenden der Automobilwelt, doch dieser 300 SLS ist einer von nur zwei gebauten Exemplaren die 1957 auf Basis des 300 SL Roadster entstanden sind. Die Serienversion des brandneuen Modells durfte in der Saison 1957 noch nicht in der „Standard Production“-Kategorie starten. Um in der einzigen alternativ möglichen Rennsport-Kategorie D nicht chancenlos zu sein, wird ein serienmäßiger Roadster nach allen Regeln der Kunst zum nur noch 970 Kilogramm wiegenden SLS abgespeckt. Die Motorleistung ist zudem auf 173 kW (235 PS) gesteigert. Mit dem SLS gewinnt Paul O’Shea die amerikanische Sportwagenmeisterschaft in der Kategorie D mit deutlichem Vorsprung vor der Konkurrenz – nachdem er den Titel bereits 1955 und 1956 auf dem 300 SL „Gullwing“ geholt hatte.

 

Aber nun bleibt keine Zeit mehr für die retrospektive Betrachtung der Sache. Manuel Müller von der Mercedes Benz Classic Abteilung kommt auf mich zu und drückt mir einen Helm in die Hand. „Der Roland fährt ja vernünftig. Ist ja nur eine Demofahrt, aber wegen der Sicherheit, man weiß ja nie“ sagt er mir. Ja, man weiß nie was das Leben einem so beschert. Vor 25 Jahren habe ich noch als zahlender Zuschauer hinter den Absperrungen beim Flugplatz-Rennen der DTM in Mainz-Finthen Autogramme von Profis wie Roland Asch geholt und nun sitze ich gleich neben ihm, in einem Auto, was neulich noch auf einer Ausstellung auch hinter einer Absperrung zu bewundern war.

 

Tja, eine Sache hatte ich nicht bedacht, die Popularität der beiden Protagonisten, Auto und Fahrer, bei den Schloss Dyck Classic Days. So bahne ich mir den Weg durch die Menge zum Wagen, gleich soll es soweit sein. Vorbei am legendären Mercedes Benz C111 mit dem Wankelmotor den ich als Kind der 70er Jahre als Modellauto besaß und am 190 E 2.3-16 Rekordwagen aus Nardò. Im August 1983 kreisen neun Tage drei identische Rekordwagen auf dem besagten Hochgeschwindigkeitsoval, unterbrochen nur von kurzen Wartungsstopps, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 250 km/h. Dabei stellen sie zwölf Rekorde, davon drei Weltrekorde über 25.000 Kilometer, 25.000 Meilen und 50.000 Kilometer auf.

 

Na klar, wie sollte es auch anders sein, „mein“ Wagen steht natürlich ganz vorne auf Pole. Dort wo sich bereits viele Autogrammjäger und Fotografen tummeln. „Da vorne ist der Asch im Benz“ höre ich einen der Zuschauer zu seiner Frau sagen. Nun gut, ich scheine auf dem richtigen Weg zu sein. Die sympathische Mannschaft von Mercedes Benz Classic weist mich ein, kurzer Handshake mit Roland Asch, dann werde ich festgegurtet. Gleicht geht’s los. Mein Puls erhöht sich und ich merke, wie meine sonst trockenen Hände leicht schwitzig werden, obwohl ich ja nur nebendran sitze. Roland Asch ist völlig entspannt und schreibt fleißig Autogramme.

 

Auf denn, der Streckenposten in dem roten Classic Days Shirt pustet in seine Trillerpfeife und schwenkt eifrig seine Fahne. Kurzes Einrollen Richtung Starthäuschen, dann endlich, Roland Asch gibt dem W198 die Sporen. „Ob ich denn ein eher ängstlicher Typ wäre?“, ruft mir Roland Asch zu, zumindest meine ich das unter meinem Helm zu verstehen, überlagert von den Windgeräuschen. „Alles ok, Sie können Gas geben“, rufe ich zurück und halte den Daumen hoch. „I bin de Roland, sage mer Du“ ruft er mir im perfekten schwäbisch zu. Alles klar, ich lache, er lacht und gibt Gas, fordert die ganzen 235 PS aus dem 2 Liter großen Sechszylinder ab. Das ist nun keine Zahl vor der man im Jahr 2014 erschreckt, aber in einem rund 55 Jahre alten, offenen Auto fühlt sich das anders an. Roland, ich lasse jetzt das Asch auch hier weg, stupst mich an und fragt was auf der langen Geraden für ein Maximalspeed erlaubt ist. Der SLS würde ja stolze 260 km/h gehen. Der Veranstalter begrenzt aus Sicherheitsgründen richtigerweise den Speed auf 100 km/h. Jedoch meine ich zu ihm, wenn er bissel drüber ist, bei ihm wäre das sicherlich ok. Er antwortet dass es ihm schwerfällt nicht mal so richtig voll zu fahren, weil es total Spaß macht mit diesem Auto, aber es ist besser wenn man sich an die Regeln hält, also 100 km/h, wir sind ja auch Vorbild und im offiziellen Mercedes unterwegs.

Ja so ist er der Roland, immer anständig, fröhlich und unglaublich höflich. Zwischendurch gibt er mir Tipps „Schau hier, Fuß quer über zwei Pedale, dann mit Gefühl Gas und Bremse bedienen, bringt uns schneller durch die S-Kurve da vorne“, Ok, ich versuchs mir zu merken und bin erstaunt, wie lässig er in Straßenslipper die Pedale mit seinen Füßen bedient, in der Art wie eine Klavierspieler mit seinen Händen die Tasten drückt.

Im nächsten Moment hält er mal mitten auf der Strecke an und schreibt ein Autogramm. Ein eifriger Autogrammjäger stand halb auf der Strecke und hielt ein Poster hoch und einen „edding“. Notbremse, rechts ran, Rückwärtsgang, einen Menschen glücklich gemacht und weiter.

„Was wäre Motorsport ohne die Fans?“, sagt Roland, wie recht er hat. Dann eine Vollgasstelle mit Rechtsknick, Roooaar, der bärige Motor wummert vorne, nach vier Runden meine ich zu merken, wie die verhältnismäßig schmalen Reifen langsam bissel arg warm werden, so dass sie schmieren. Oder anders gesagt, uns geht hinten der Arsch leicht weg. Plötzlich sehe ich ein „Museumsauto“ mit völlig anderen Augen.

 

Die Schloss Dyck Classic Days fand ich schon immer gut. Diese familiäre Atmosphäre, Currywurst essend auf einem Heuballen sitzend, anstatt Hummer und Krabbencocktail unterm Pavillon schlemmend. Auch das man als Zuschauer direkt mit den Protagonisten ins Gespräch kommen kann.

Heute war das aber eine andere Sache. Ein Erlebnis das sich nachhaltig in das Gedächtnis gebrannt hat. Dafür ein großes „Danke Schön“ an Mercedes Benz Classic und Roland Asch, den ehemaligen Tourenwagen-Piloten mit so viel Herzlichkeit, die ich bei so manch altem Hero der Rennsportszene manchmal vermisse.

 

Text: Bernd Schweickard

Foto: Jens Scheibel

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