Nein, ich wollte den Audi R8 Spyder gar nicht ausfahren. 260 auf lang einsehbarer Autobahngeraden mit geschlossenem Cabrioverdeck hat vollauf gereicht. Aber erwähnenswert erscheint mir die Topspeed schon: 313 km/h. Wow! Und bei 220 offen gefahren flog mir die Kapp‘ weg, die eigentlich gut gegen Sonneneinstrahlung von schräg oben geschützt hat. Denn was nutzt dir die Sonnenblende im Frontscheibenrahmen des Spyders, wenn die Sonne drüber weg scheint.
Egal, in jeder Lage des Verdecks brüllen hinder dir 520 Stiere, die eher spanischen Gemüts sind denn italienischen von Lamgorghini oder auch nur vom Temperament deutscher Alpenvorland-Bullen. Auf alle Fälle haben die R8-Stiere mehr Temperament als so manche Rennpferde. Das fällt deutlich auf beim An- oder Rückwärtsfahren. Und erst recht, wenn’s rückwärts bergauf geht. Da verbreitet die Kupplung schon müffelnd ihr Unbehagen über die Gewalt des Motors. Und wenn du vorwärts in die Garage fahren und den Huppel sachte überwinden willst, der die Schwelle darstellt, dann bist du entweder gleich mit der Nase an der Garagenwand oder mußt sofort voll in die Eisen steigen. Die keramischen übrigens, die mit rund 7.500 Euro, bzw. einem guten gebrauchten Kleinwagen zu Buche schlagen. Beim normalen Anfahren dagegen zieht der R8 ganz brav los, legt mit Verwandtschaft zur Handschaltung die Gänge ordentlich ein und beschleunigt wie ein strammer GT. Es sei denn, man tritt ein wenig fester aufs Pedal. Dann brüllt wieder die Herde Stiere hinter einem los und der R8 schießt davon wie von der Tarantel gestochen. Fährt die Gänge fast voll aus, was heißt, bis an die 7000 Touren, schaltet knackig hoch und drückt einem fast die Luft weg. Ganz voll und bis in die 8000-Bereiche beschleunigt der Spyder im Sportprogramm. Da gibt er dan auch ordentlich Zwischengas sogar beim Heraufschalten, was im Normalmodus schon mit sattem Sound von M4 nach M3, noch satter von M3 nach M2 und ziemlich heftig sogar, wenn man die Schaltwippe links nochmals auf M1 anzieht.
M4 bis M1 heißt übrigens soviel wie manuell geschaltetes Doppelkupplungsgetriebe; die Wippschalter am Lenkrad machen’s einfach. Drückt man dann den Hauptschaltknüppel – eher ein Joystick – wieder nach links, erreicht man die Automatik, die zum zivilen Hochschalten viel sanfter zu nutzen ist als die manuelle Betätigung. Aber auch im Automatikmodus sagt der R8 nie, dass er ein Coffeeshop Glider ist. Das paßt auch nicht zu dieser Flunder mit kurzer Schnauze und langem Heck. Schließlich ist der Mittelmotor nicht zwischen die – alle beiden angetriebenen – Achsen gewandert, um an Cafés vorbei zu flanieren, sondern um mit vereinten Kräften von Mittelmotor-V10, 5,2 Liter Hubraum, 530 Nm Drehmoment und quattro-Antrieb Dampf zu machen auf Autobahnen und jenen Straßen, die die Motorradfahrer gewöhnlich für sich beanspruchen: gut ausgebaut, kurvenreich und dennoch schnell. Das ist das Element des R8. Und scheint die Sonne, liegt das Verdeck gut verpackt in seinem Fach über dem Mittelmotor, fährt sich’s im Spyder wie im Vergnügen.
Logisch, dass der 5,2-Liter-Motor sein Tribut verlangt. Allerdings sind 14 Liter Durchschnittsverbrauch für einen Hochleistungssportler auch nicht grade übermäßig viel, vergleicht man ihn mit dem Trinkgebaren eines entsprechenden Ferrari oder Aston Martin. Nicht zu reden von der Corvette und dem Mustang.
Warum ich eingangs den Lamborghini erwähnt habe? Keine Frage, seit Adoption der italienischen Marke mit dem Stier hat sich nicht nur bei VW, sondern im gesamten Konzern sportlich und mit großvolumigen Motoren was getan. Ist doch der V10 nicht nur der Topmotor in Ingolstadt, sondern auch der für den Highend-Touareg und den Phaeton aus WOB.
Text: Heiner Klempp
Foto: Audi