Nicht nur beim Strom gilt mittlerweile „Ich habs getan – Ich hab gewechselt“. Im Jahr 2011 und der kommenden, weitestgehend markenfreien Facebook-Generation, sind auch wir aus den Luxus Limousinen von Audi und Mercedes ausgestiegen. Unser aktueller Testwagen der Luxuskategorie ist ein Lexus 600h mit Hybridantrieb.
Lexus, eine Marke die in vielen Ländern auf der Welt überwältigende Erfolge verzeichnet, fristet seit ihrem Start in Deutschland vor 20 Jahren nur eine Nebenrolle. Wir wollen wissen was dran ist am japanischen Super-Gleiter, haben Vorurteile noch bestand?
Für eines steht Toyota’s Luxusmarke seit seiner Markteinführung – Zuverlässigkeit. Auch regelmäßige vordere Plätze bei Kundenzufriedenheitsbefragungen stehen für diese japanische Premium-Newcomer-Marke. Unser 600h zeigte während des zweiwöchigen Testzeitraums absolut keine Mängel, das haben wir im Luxusauto-Segment auch schon anders erlebt.
Ein Manko was wir zu Beginn feststellen, der Lexus, unser Modell verfügt über praktisch alle Extras inklusive dem Ambience-Paket, hat viel Schalter. Sehr viele Schalter. Das rund 700 seitige Bedienungshandbuch liegt nicht zum Spaß im Handschuhfach. Dennoch ist es nicht so dramatisch wie es klingt oder teilweise dargestellt wird. Wir sind in der Lage den Wagen zu starten und alle relevanten Bedienungen auszuführen, inkl. Navigationssystem, ohne auch nur einen einzigen Blick ins Handbuch zu werfen.
Nur der TFT-Bildschirm im Dachhimmel für die Fondpassagiere möchte einfach nicht ausfahren. Ok, bis wir den dafür zuständigen Knopf in der hinteren Armlehne gefunden haben.
Ebenfalls per Knopfdruck startet der Motor. Eine unnütze aber optisch sehr ansprechende Animation begeleitet den Startvorgang im Display des Armaturenbrettes. Im Nachhinein ist dies sehr praktisch, weil man sich sonst fragen würde, ob dr Wagen überhaupt „an“ ist. Prinzipiell startet der Lexus 600h rein elektrisch, erst beim stärkerer Betätigung des Gaspedals schaltet sich der V8 völlig ruckfrei zu. Aber auch dann bleibt es leise im 600h. Lexus hat das Fahrgeräusch bei 50 km/h mit 53 db(A) gemessen. Dies entspricht einer normalen Konversation im ruhigen Eigenheim.
Und Wohnzimmer-Atmosphäre kommt auch im 600er auf. Samtweiches Leder und gute Materialien wurden erstklassig verarbeitet. Nicht nur die Haptik stimmt, auch die Optik. Egal was man im Innenraum berührt, man möchte es nicht mehr loslassen.
Für lange Autobahnetappen bietet das Fahrzeug sämtliche, moderne Assistenzprogramme um das Reisen entspannt angehen zu können. Platz im Überfluss, Sitze mit Kühl- und Massagefunktion, Vier-Zonen-Klimaanlage, Entertainment-System und elektrisch ausfahrbare Sonnenrollos an allen Fondscheiben gehören praktisch zur Basis.
Soviel Platz es im Innenraum gibt, so klein ist leider der Kofferraum geraten. Dieser ist mit mageren 325 Liter auf VW Golf Niveau. Ein Attribut an die Hybridtechnik mit der platzraubenden Nickel-Metallhydrid-Batterie. Diese ermöglicht mit einer Leistung von 225 PS, das der Lexus bis zu 50 km/h und ca. 2km Reichweite rein elektrisch fahren kann. Wenn mehr Power benötigt wird, schaltet sich der knapp 5 Liter große V8 Benzinmotor dazu, was eine Systemleistung von 445 PS ergibt. Bei normaler Fahrweise hilft der Elektroantrieb die große und schwere Limousine bei rund 10-12 Liter Benzin einpendeln zu lassen, was ein sehr guter Wert ist. Sicherlich genehmigt sich der 600h bei flotter Autobahnfahrt wesentlich mehr, aber das ist auch nicht sein Revier. Bis 200 km/h ist er sehr agil, die Lenkung direkt, aber darüber hinaus ist er ein wenig zu weich abgestimmt, selbst im zuschaltbaren Sportmodus. Unsere Empfehlung im luftgefederten Lexus ist eine Reisegeschwindigkeit von 160-190 km/h. Dabei bleibt der Spritverbrauch in Grenzen und man kann die Fahrt im Lexus zu jedem Zeitpunkt genießen.
Der Lexus ist sicherlich nicht die Vollendens perfekte Luxus-Limousine, aber verdammt nah dran, diese bei der nächsten (Hybrid)-Generation zu werden. Vorbei sind aber die Zeiten, in denen die Topmodelle von Audi und Mercedes die Benchmark setzen, auch wenn dies aktuell in den Zulassungszahlen noch anders definiert ist. Wir wünschen Lexus Geduld, bis die neue Generation, mental freier Menschen, befreit von dem Traditionsballast, sich ein rund 100.000 Euro teures Fahrzeug leisten kann und wird. Und wer jetzt schon zugreift, erhält ein Premium-Fahrzeug der Spitzenklasse mit Aufmerksamkeitsbonus.
Text: Bernd Schweickard
Fotos: Nina Ziegler