Pole Position @Home
Die neuen Volvo V60 und S60 Polestar-Modelle
Nicht erst seit dem Erfolg mit dem XC90 und der Neuausrichtung von Volvo, zieht es Individualisten die nicht den Einheitsbrei aus deutschen Premiumfabriken fahren möchten, nach Schweden. Qualität, Sicherheit und skandinavisches Design sind wohl die ersten Worte die einem zu Volvo einfallen. Der Begriff Sportlichkeit schaffte es da bisher nicht in die Top drei in der Wahrnehmung der Autofahrer. So musste man als sportlicher Autofahrer, dann doch eher wieder auf den häuslichen Mainstream ausweichen und sich ein S, M oder AMG-Modell in die Garage stellen.
Dabei ist Volvo seit Jahrzehnten auch auf den Rennstrecken sportlich unterwegs und vorne mit dabei. In den 1980er Jahren, den Anfängen der DTM, in der sich heute die deutschen Premiummarken tummeln, war es Volvo, die von Sieg zu Sieg eilten. Mit dem „Flying Brick“ genannten Volvo 240 Turbo gewann Per Stureson 1985 die Deutsche Tourenwagen Meisterschaft (DTM). Noch spektakulärer war der Motorsportauftritt von Volvo im April 1994, als man mit zwei Volvo 850 Kombi an den Start der britischen Tourenwagen Meisterschaft (BTCC) ging. Am Steuer zwei Tourenwagenlegenden, Jan Lammers und Rickhard Rydell, die je einen riesigen, auf der Laderaumfläche montierten Plüschhund über die Rennstrecken fuhren. Vier Jahre später gewann man die BTCC, allerdings mit einem normaleren Rennauto, dem Volvo S40. Die Schweden waren spätestens jetzt erfolgreich im Tourenwagensport angekommen.
Um ein Engagement im Motorsport weiter zu stärken, wurde 1996 Polestar als offizieller Motorsport-Partner von Volvo gegründet, damals allerdings unter dem Namen „Flash Engineering“. 2005 wurde das Unternehmen in Polestar umbenannt, als Tribut an den kalten Norden Schwedens und man zog gleichzeitig in die Volvo Heimatstadt Göteborg um. So konnte neben der Rennsportabteilung auch Motorenentwicklung für Volvo geleistet werden.
Mit dem Volvo C30 S2000 brachte Polestar das erste eigenständig aufgebaute Rennauto auf die Strecke und gewann 2009 die Fahrer- und Teamwertung in der STCC. Dabei wurden unzählige Rekorde aufgestellt. Man sicherte sich in dieser Saison bei jedem Rennen die Pole Position, insgesamt sind es sogar schon 105 Pole Positions geworden.
Letztes Jahr übernahm Volvo dann 100% an Polestar und kehrte in diesem Jahr in die FIA Tourenwagen-Weltmeisterschaft (WTCC) zurück. Als Basis dienen die beiden neuen Volvo S60 und V60 Polestar Modelle. So stehen für unsere Testfahrt nichts geringeres, als die stärksten Serien-Volvo aller Zeiten auf dem Parkplatz des Salzburger Flughafens für uns bereit.
Mit mehr als 50 Modifikationen im Vergleich zu den Serienmodellen will Volvo nun auch bei den sportlichen Premiummodellen nicht nur punkten, sondern nach ganz vorne fahren. Von außen demonstrieren die Polestar-Volvo mit eigenen Aerodynamik-Komponenten wie Frontsplitter, Heckspoiler und Diffusor Stärke und Willen. Der besondere Farbton „Rebel blue“ verleiht insbesondere dem langgestreckten Kombi V60 eine tolle, progressive Optik. Da Kombimodelle bei uns beliebter sind als Limousinen, entscheiden wir uns auch gegen die Limousine und wählen den Expressfrachter aus.
Innen empfängt uns ein ebenso modernisiertes Interieur. Wobei „modern“ leider nicht auf das Basis-Layout des V60 zutrifft. Weil das Bessere des Guten Feind ist und Volvo mit dem Interieur der 90er Serie eine Benchmark gesetzt hat, lässt es die 60er-Architektur noch älter aussehen als sie ist. Das Navi zu klein, die umständliche Fummelei der ringförmig angelegten Knöpfe in der Mittelkonsole, welcome old years. Aber damit ist ja bei der kommenden 60er Reihe auch Schluss. Erfreuen wir uns also an den Polestar-Applikationen und davon gibt es einiges.
Echtkarboneinlagen für den sportlichen Touch und ein beheiztes Sportlenkrad mit blauen Ziernähten und Nubuklederbezug für die angenehme Seite des Reisens. Ein beleuchteter Schalthebel und eine spezielle Polestar-Pedalerie und Polestar-Branding an diversen Teilen sind einfach schön fürs Auge.
Wobei Karosserieeinzelkomponenten auch als Zubehörteile für schon ausgelieferte Volvo-Modelle beim Händler zu ordern sind. Wer sich jedoch für ein „made by Polestar“-Komplettmodell entscheidet, will mehr. Das Herzstück ist dabei klar der Motor.
„Volvo’s Downsizing im Portfolio ist für Denker, der V60 Polestar ist für Lenker!“
Um in allen Drehzahlbereichen Power zu haben, verpassten ihm die Ingenieure einen Kompressor und einen Turbo. Der bekannte Zweiliter-Viezylinder Drive-E-Motor nutzt den Kompressor um aus dem Drehzahlkeller Leistung aufzubauen, bis der Turbolader übernimmt. Das Ergebnis ist Schub in allen Situationen. Die Mehrleistung von 61 PS und 70 Nm gegenüber dem Serienpendant schlagen sich auch in den Zahlen nieder. Der V60 Polestar beschleunigt in 4,8 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h. Der Vortrieb endet elektronisch begrenzt bei 250 km/h. Verfeinert wurde in traditioneller Tuningmanier auch die Innereien des Triebwerks. Neue Pleuel und Nockenwellen ist Tuning-Feinkost, wobei jeder „getunte“ Polestar-Volvo die volle Werksgarantie beibehält.
Am Großglockner trennt sich die Spreu vom Weizen. Sprich, dass Emblem auf der Motorhaube eines anderen Herstellers was hinter unserem Polestar Volvo war, wird im Rückspiegel stetig kleiner, je steiler der Anstieg wird. Ähnlich einfach wie ein Print@Home Ticket, Ganghebel in den S-Modus stellen und dunkel röhrend wie ein Elch ab nach vorne zur Pole preschen. Oral begleitet durch den Edelstahl-Klappenauspuff mit 3,5-Zoll-Endrohren. Dann fließen 367 PS vom Triebwerk vorne durch eine Geartronic Achtgang-Automatik mit kürzeren Schaltzeiten an die breiten 20 Zoll Walzen vorne und hinten. Verteilt wird die Kraft über ein BorgWarner Allradsystem, dass für sportliches Fahren optimiert ist und betont hecklastig ausgelegt sein soll. Die ab Werk montierten Michelin Pilot Supersport Bereifung radieren mit dem gut 1,8 Tonnen Kombi gut um die Ecken, dass Gesamtpaket kommt auf einer extremen Piste mit engen 180 Grad Kurven aber an seine Grenzen. Bei zu flotter Einfahrt in eng gezeichnete Kurven, neigt der Schwedenpanzer gut kontrollierbar zum Übersteuern. Das liegt zum einen an der Gewichtsverteilung als auch am Allradantrieb, der maximal 50 Prozent der Leistung nach hinten leiten will. Für Könner am Volant sei erwähnt, dass elektronische Fahrdynamikregelung ESC kann ganz ausgeschaltet werden und ermöglicht es, den V60 Polestar auch schnell und quer durch eine Kurve zu jagen.
Das gesamte Fahrverhalten des neuen V60 Polestar über die Autobahn, Landstraße und City ist großartig. Gar nicht mal nordisch herb, schon auch für die Langstrecke tauglich, dass war den Entwicklern auch wichtig. Es soll kein reines Race Car werden, sondern immer den Charakter eines Reisewagens beibehalten. Dafür sorgen die einstellbaren Öhlins Stoßdämpfer mit Doppelströmungsventil, die den V60 Polestar in Millisekunden an die Fahrbahnsituation anpassen. So werden wir von Schockwellen beim Überfahren von Bodenwellen verschont und dürfen gleichzeitig bei sportiver Fahrweise ein exzellent zu steuerndes Fahrzeug erleben. Gebremst wird mit einer 6-Kolben-Bremssättel Anlage von Brembo mit 371 Millimeter Scheiben.
Glücklicherweise möchte Volvo sich mit der Konzipierung neuer Polestar-Modelle nicht bremsen. Die aktuelle 60er Baureihe formiert den Anfang einer Polestar-Flotte. Hinter den Toren der Werkshallen in Göteborg feilen die Techniker aber schon an den kommenden von Polestar verfeinerten Volvo-Modellen.
Text: Bernd Schweickard
© Foto: Bernd Schweickard