Rock am Ring!
Das ein SUV nicht ins Gelände gehört weiß man ja schon länger, obwohl einige durchaus gute Geländewageneigenschaften besitzen. Auf der Münchner Maximilianstraße benötigt man diese aber weniger, außer man möchte einen Bordstein erklimmen.
Und für dort, aber auch für richtigen Männer-Asphalt der auf einer Rennstrecke ausgelegt wurde, gibt es ein neues Spielzeug, den Range Rover Sport SVR. Es handelt sich dabei um einen von der bei Land Rover neu gegründeten Abteilung „Special Vehicles Operations“ (SVO) modifizierten Range Rover Sport V8.
Nicht nur äußerlich wirkt das neue Topmodell der Range Rover Familie, in der SVR-Exklusivfarbe „Estorilblue“ lackiert, brutal, richtig ab geht’s unter der Haube. 550 PS, 680 Nm Drehmoment und 260 km/ Spitzengeschwindigkeit, im SUV, erscheinen auf dem Papier schon unbegreifbar. Der Motor ist eine Evolutionsstufe des 5,0-Liter-V8-Kompressormotor Triebwerks, das 40 PS und 56 Nm mehr leistet, als im Serien Range Rover Sport V8. Es ist eher die Gesamtheit des Fahrzeugkonzeptes und die Detailverbesserung, die den Mehrpreis von 25.000 Euro gegenüber dem Serien-Penndant ausmachen.
Und wo kann man solch einen Böller am besten ausprobieren? Richtig, auf der GP-Strecke des Nürburgrings. An diesem Dienstagmorgen, bei eisigem Wind um die 10 Grad in der Eifel, stehen ein halbes Dutzend SVR in der Boxengasse des Nürburgrings bereit, um ausgeführt zu werden. Die letzte Auspuffsonate vom 24h-Rennen das erst vorgestern Nachmittag zu Ende ging, scheint noch nicht ganz verklungen, als wir den bärenstarken V8 starten. Wie soll man das beschreiben, dieses Gefühl, wenn sechs Hubraummonster in einer verwaisten Boxengasse zum Leben erweckt werden und sich der Schall durch die kalte Morgenluft zwischen den Rolltoren der Boxen und der Pitwall wie ein PingPong-Ball hin und her reflektiert.
Die erste von zwei Neuheiten beim Range Rover wird uns hier vorgeführt. Die zweistufige aktive Auspuffanlage. Sie erzeugt mithilfe elektronisch gesteuerter Ventile bei höheren Drehzahlen eine Geräuschkulisse, die zu einer Rennstrecke passt, versprüht aber zugleich bei langsamerer, gleichmäßiger Fahrt kultivierte Laufruhe.
Auf der Rennstrecke glänzt der SVR zwar mit Sportwageneigenschaften, immerhin holte er mit 8,14 Minuten die Rekordzeit für eine Umrundung der Nordschleife für ein Produktions-SUV nach England, auch wenn diese Trophäe mittlerweile wieder in Zuffenhausen steht, aber er kann seine schiere Größe und Gewicht nicht verleugnen. Sein Vollaluminium-Monocoque, das erste in seiner Fahrzeugklasse, hilft das Gewicht um 39% gegenüber des Vorgängers zu senken, aber die Waage zeigt dennoch eine zwei vor dem Komma bei der Tonnenangabe des Gewichtes an.
So ambivalent verhält sich der SVR bei sportiver Fahrweise. Beim Anbremsen in der Mühlenbachschleife aus voller Fahrt scheint der SVR schwer wie ein Ozeantanker zu sein und schiebt immer weiter Richtung Kurvenäußeres, dort wo der Asphalt aufhört und der Kies beginnt. Gut, das wäre jetzt kein Hindernis, denn im Gegensatz zu einem Sportwagen sitzen wir ja in einem Full-Size-SUV, einer der auch Gelände kann. Und das mit einem richtigen, permanenten Allrad, mit einer 50:50 Drehmomentverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse. Sollte es mal richtig grob werden, steht dem Fahrer ein zweistufiges Verteilergetriebe mit Untersetzungsmöglichkeiten zur Verfügung. Und sollte überraschend ein Fluss vor dem SVR-Fahrer erscheinen, hilft die in diesem Segment unübertroffene Wattiefe von 850 Millimeter. Elektronische Helfer wie die Wassertiefenmessung „Wade Sensing“ unterstützen den Fahrer bei den Wasserspielen.
Wir probieren das heute nicht aus, bleiben auf dem Asphalt und sind erstaunt, wie leichtfüßig der SVR nun aus der Mühlenbachschleife in Richtung Schumacher-S hochzieht. Dabei brüllt der V8 wie der König der Löwen, als wolle er die gesamte Sahara vor einer Gefahr warnen. Die Lenkung ist für unsere Begriffe etwas zu weich abgestimmt und auch das Bremspedal lässt einen sehr weiten Weg zu, packt aber vehement zu.
„Hot Lap mit Horst von Saurma“
Doch was wirklich in diesem Macho-SUV steckt, zeigt uns Horst von Saurma, der vor drei Jahren an dieser Stelle noch mit Roland Asch und Patrick Simon das 24h-Rennen bestritten hatte.
Horst lässt die exzellent schaltende ZF-Achtstufenautomatik, die für den SVR von den SVO-Spezialisten nochmals überarbeitet wurde und nun mit um 50% verkürzten Schaltzeiten glänzt, links liegen und schaltet manuell mittels den Paddels am Lenkrad.
Mit einem Profi am Volant bewegt sich der Achtender noch mal ganz anders. Horst lässt den SVR ganz zart auf Kante den schwarzen Gummi seiner 295/40 R22 Continental SportContact5 Hochleistungsreifen in der Mercedes Arena abradieren. Die stark konturierten Oxford-Leder-Sitzschalen halten mich bei diesen Fliehkräften an Ort und Stelle und ich wundere mich, dass sich die Reifen nicht von den gewaltigen 22 Zoll Felgen verabschieden. Man kann bis in die feinsten Häärchen am Arm, die vor Begeisterung senkrecht nach oben stehen, die Kraft und diese Gewalt merken, die hier am Werke ist.
Und manchmal geht auch mehr. So treibt Horst diesen SUV-Koloss, der sich so leichtfüßig anfühlt, auch mal quer über die Strecke. Der Geruch von verbranntem Reifengummi bahnt sich seinen Weg in den Innenraum. Vorne stampft der V8 wie die riesige Maschine in dem Film „Das Boot“ als volle Fahrt befohlen wurde und U96 sich seinen Weg durch die peitschende See schneidet. Allerdings, mein Kapitän Horst von Saurma sitzt entspannt wie der Oberförster auf dem Weg zur Jagd im Gestühl. Dabei hält er das Volant locker in der Hand und rockt unter trompetenartigem Getöse aus den dicken Endrohren über den Ring.
Der Range Rover SVR wird zu Preisen ab 126.400 Euro nicht das Volumenmodell der Marke werden, aber selbst jetzt, vor der offiziellen Vorstellung beim Händler, liegen SVO schon 1.600 Bestellungen vor. Der SVR ist zwar der schnellste und leistungsstärkste Land Rover aller Zeiten, jedoch müssen die Käufer Geduld mitbringen. Bei SVO sind aktuell rund 60 Fahrzeuge gebaut worden. Die Wartezeit beträgt aktuell über sechs Monate.
Text: Bernd Schweickard
© Foto: Land Rover (8), Bernd Schweickard
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