Pure Porsche

Die Rückkehr von Porsche nach Le Mans entfacht wieder alte Kindheitserinnerungen in mir. Porsche Fahren. Eine Atemluft raubende Karosserie, solide verarbeitet und im Zentrum ein Motor, nein, eine metallene Maschine die Öl, Luft und Benzin so speziell miteinander vermischt, dass dieses Gebilde deutscher Ingenieurskunst einen Sound abliefert, dass nur ein Zuffenhausener kann.

Klar, früher träumte ich von einem 911er, doch der ist mittlerweile in eine andere Gewichts- und Preisklasse gerutscht. Sind es doch eher die Silver Generation Betuchten, die sich im Porsche Zentrum ihren eigenen Kindheitstraum erfüllen und sich einen 911er gönnen.

Für mich ist der neue Cayman S der neue 911, so wie in Frauenzeitschriften zu lesen ist, die neue Frau mit 40 ist die Frau mit 50.

Prinzipiell neige ich zu Handschaltern, aber nachdem Walter Röhrl mir neulich bei der Porsche 911 Turbo Testfahrt erklärte, dass das selber schalten in der modernen Zeit keinen Sinn mehr mache, frage ich bei der Porsche Presseabteilung nach einem Modell mit dem Sieben-Gang-Doppelkupplungsgetriebe (PDK).

Pünktlich zum Le Mans Wochenende am 14./15. Juni steht der in unschuldigem weiß lackierte Sportwagen vor der Tür. Dazu schwarzmatt lackierte Sportfelgen, oder wie es in der Preisliste unter Zubehörpunkt XDH zu finden ist, „Felgenstern Platinum lackiert“. Genau so sollte der Cayman S der dritten Generation sein, in seiner bisher schönsten Evolutionsstufe. Flacher und breiter als der Vorgänger steht der Cayman auf seinen rabenschwarzen Pneus.

Innen wurde für 2.585 Euro wunderbar zartes Leder verbaut das sich hauchdünn über die optionalen Sportsitze Plus schmiegt. Ich sitze so perfekt hinter dem cleanen Sportdesign Lenkrad ohne Knöpfe, als wäre ich der Ausgangspunkt für die Ergonomie-Ingenieure gewesen.

„Le Mans Feeling“ bedeutet aber auch Sound, also den Schlüssel wie üblich links vom Lenkrad in Schloss stecken, kein unemotionales keylessGo oder dergleichen und den 3,4 Liter Boxermotor zum Leben erwecken. Dann beginnt das übliche Schalter drücken, Start-Stopp Aus, Sport Ein, SportPlus heben wir uns für später auf. Im Sportmodus wird auch der Klappenauspuff auf Durchzug gestellt, der Cayman S fängt an zu Brüllen, als würde ich auf dem Nürburgring gerade mit Vollgas auf die NGK-Schikane zufliegen, wobei ich gerade mal mit 42 km/h durchs Wohngebiet rolle. Ich lasse es soft angehen, fahre ein wenig herum und genieße die Perfektion, die aber speziell beim Porsche Cayman nicht langweilig wirkt, sondern so, als wäre er wie ein südeuropäische Sportwagen leicht kapriziös, was er aber nicht ist.

Mit meinen 44 Jahren fühle ich mich im richtigen „Cayman-Alter“, gekleidet in Jeans, Chucks und T-Shirt noch weitere 10 Jahre jünger und vor allem sportlicher, wie der Cayman S. Wir beide gehen eine Symbiose ein, die noch intensiver wird, als ich auf einer freien Taunusstrecke den SportPlus-Modus aktiviere. Während der Cayman bei normaler Fahrweise im Alltagsmodus mit weniger als neun Litern zu fahren ist, kommt nun die Sportzulage. Aber es ist ja nur für ein paar wenige Kilometer auf engen, gewundenen Taunusstraßen, auch nicht schnell von der Höchstgeschwindigkeit, aber es sind diese Momente die einem Auto begeisterten Menschen die kleinen Härchen am Arm aufstellen lassen. Der Cayman gibt nun auch bei den Geräuschen Vollgas. Gefühlt, respektive gehört, haben wir gerade den Auspuff verloren. Wie haben die Porsche Techniker es nur angestellt, dass die 1.820 Euro teure Sportabgasanlage TÜV bekommen hat. Wahnsinn. Ebenso Wahnsinn ist die Elastizität des „kleinen“ Porsche. Wobei ihm mit 325 PS nur 25 PS zum größeren 911 fehlen, also in der Praxis praktisch nichts. Das Handling ist perfekt und auch für nicht gelernte Sportwagen- und Rennfahrer dank Elektronik und ausgefeilter Gewichtsverteilung der 1.320 Kilogramm, einfach zu handhaben. Das Triebwerk sitzt direkt hinter den Sitzen, wobei der Cayman nicht das nervöse Zittern des Hecks mancher Mittelmotorboliden hat.

 

Mittlerweile bin ich schon den ganzen Tag unterwegs, der Tank neigt sich dem Ende zu und ich fahre mit beiden geöffneten Fenstern und ausgeschalteter Klimaanlage an diesem sonnigen Tag in die Abendsonne hinein. Pure Porsche Feeling. Entlang am Mittelrhein, das PDK Getriebe zaubert für jede Fahrsituation den richtigen Gang herbei, der, wenn der Fahrmodus nicht auf SportPlus steht, auch ohne Zwischengas beim Runterschalten eingelegt wird. Ja, das macht saumäßig Laune, aber von 10 Passanten drehen sich neun Köpfe um. Und ich möchte heute nicht auffallen, ich möchte bei meiner Fahrt am Rhein entlang einfach nur dem Sound lauschen, den Wind durch den Innenraum sausen lassen und diese absolute Perfektion eines Porsche-Sportwagens genießen. Und für die italienischen Momente kann ich ja kurz anhalten im Straßencafé einen Espresso trinken.

 

Text: Bernd Schweickard

Foto: Nina Ziegler

 

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