Und alle guten Dinge sind Drei
Nach Le Mans und Nürburgring standen die 24 Stunden von Spa Francorchamps als Highlight auf meinem Programm.
Ich komme seit vielen Jahren an die berühmte Rennstrecke in Francorchamps, seit 1997 um genau zu sein trete ich alljährlich meine knapp fünfstündige Reise in die idyllischen Ardennen an. Bis auf das 6-Stundenrennen der LMES Serie im Jahr 2005, habe ich immer „nur“ den Formel 1 Zirkus hier erlebt. Doch nun bin ich zum ersten Mal beim 24hrs Rennen hier vor Ort. Ich sehe es quasi der Vollständigkeit halber als mein Finale der Top-3, schließlich hatte ich in diesem Jahr bereits das Vergnügen in Le Mans sowie am Nürburgring dabei sein zu können.
Francorchamps – das ist eine lebende Asphaltlegende. Selten hat mich eine Rennstrecke so in ihren Bann gezogen. Selten hat eine Rennstrecke für so viel atemberaubende Rennaction gesorgt. Da wäre zum einen Mal der verheerende Formel 1 Startunfall von 1998 sowie das Auffahren des führenden Michael Schumachers in das Heck von David Coulthard. Und natürlich nicht zu vergessen Jacques Villeneuve´s Glück wenn er „I survived Eau Rouge“ titelte. Szenen, die man nicht vergisst. Für mich stehen aber auch andere Momente ganz weit oben, etwa der herrliche Mercedes-Motoren Sound Ende der 90er, wenn ein Mika Hakkinen Eau Rouge durchbretterte und man anhand des grellen Tons schon früh wusste, da kommt ein McLaren.
Ich weiß nicht mehr genau, wie oft ich eigentlich schon hier war – aber es müssen gut über 15-mal gewesen sein. Und nun also meine ersten 24 Stunden von Spa. Als ich am Dienstag an der Rennstrecke eintraf, war ich vorab von sehr überrascht – bis doch wieder nicht: Die belgischen Sicherheitskräfte. Nach wie vor immer wieder ein Phänomen, was so eine Uniform in der Denkweise der Menschen verändert. Die Kontrollen schlimmer als je zuvor, schlimmer teilweise sogar noch als bei der Formel 1. Aber nach sechs Stunden Autobahnfahrt bei 32° C und vielen langsamen Holländern und Belgiern, konnte mich das auch nicht mehr erschüttern.
Das gehört einfach zu Spa. Genauso wie es dazu gehört, mindestens einmal die Strecke zu erforschen. Das obligatorische Streckenablaufen der Rennfahrer tausche ich meistens gegen mein Rennrad oder meine Inlineskates ein. Vor einigen Jahren hatte ich die großartige Möglichkeit, Beifahrerin in einem LMP2 Rennauto an der Seite von Miles Hulford zu sein, ganze drei Runden – dann kam der Regen. Aber dennoch ein Erlebnis der besonderen Art.
Da ich bereits die Fahrerparaden in Le Mans sowie am Nürburgring verpasst hatte, freute ich mich umso mehr auf die in Spa. Es war herrlich zu sehen, wie das eigentlich verschlafene Spa zum Leben erweckt wurde. 80 Autos fuhren im Konvoi in das Stadtzentrum, auf dem Weg bereits vom Straßenrand von 100erten von Fans bejubelt – was für eine Atmosphäre. Dann im Stadtzentrum angekommen, sieht man nichts außer Fans, Fahrer und Rennboliden. Keine Straße in der sich nicht Scharen von Fans tummelten. An jeder Ecke riecht es nach frisch gebackenen Waffeln. So muss ein Rennwochenende starten – und wenn dann noch das Wetter so herrlich warm und sonnig bleiben würde, dann wäre es ja fast zu perfekt.
Auch wenn sich am Donnerstag bereits die ersten Wolken über den Ardennen zeigten, blieb der Wettergott auf der Seite der Motosportfreunde und bis auf ein paar Tropfen am Sonntag morgen war das gesamte Rennwochenende trocken. Wer sich jedoch „nur“ für das 24 Stundenrennen interessiert, für den hieß es lange warten. Denn nach dem Freien Training am Donnerstag Morgen stand den gesamten Nachmittag nichts auf dem Programm. Genug Zeit also um die Strecke näher anzusehen. Als erstes zog es mich runter zur Eau Rouge.
Und zu meiner großen Freude, stand hier immer noch der gute Waffelstand. Waffeln in Belgien sind in etwa so ein Kultgericht wie eine Weißwurst in München, nur dass sie tausendmal besser schmecken.
Gestärkt nach zwei Waffeln, ging es mit dem Roller um die Rennstrecke. Überraschend fand ich, dass sämtliche Tribünen nicht aufgebaut waren. Egal ob in Eau Rouge oder in den anderen Bereichen, die Tribünen, die für den Formel 1 Zirkus Standard sind (und jede Menge Geld kosten) lohnen sich anscheinend nicht, für das 24 Stundenrennen aufzubauen. Nachdem ich den Nachmittag erfolgreich vertrödelt hatte, ging es abends endlich los. Also ging es wieder ab auf den Roller um mich oberhalb von Eau Rouge zu positionieren. Es gibt nichts atemberaubenderes, als in der Dämmerung in dieser sagenhaften Kurve zu stehen, und einfach die Rennfahrzeuge zu bestaunen. So viele unterschiedliche Autos, und so viel unterschiedliche Linien wie man Eau Rouge durchfahren kann. Durch meine langjährige Arbeit für Nissan bin ich natürlich dem Team von RJN Motorsport mit dem Nissan Nismo GT-R GT3 verbunden. Der „Godzilla“, wie er liebevoll von seinen japanischen Fans genannt wird, sticht heraus – nicht zuletzt wegen seinem tollen Sounds. Für das Team verlief das Qualifying am Donnerstag gut und mein Favorit, der GT-R mit der Startnummer 80, qualifizierte sich dann in der Super Pole am Freitag auf dem 13. Startplatz.
Renntag, früh morgens, Aufbruch zur Rennstrecke. Ich bin nach wie vor immer wieder aufs Neue fasziniert, wenn man die kleine Waldstraße hinunter zum Haupteingang des Fahrerlagers fährt. Durch die Baumwipfel erhascht man immer kurz einen Blick auf die berühmte Eau Rouge – und jedes Mal wenn ich es sehe, wird dieses bestimmte Kribbeln geweckt, wie es einfach nur die Eau Rouge erwecken kann. Das Programm vor dem eigentlichen Spektakel, dem Rennstart, war klasse. Autogrammstunden, Pit Walks für die Fans, Fahrerparade, ein „Show-Grid“ im alten Le Mans Stil – Menschen über Menschen! Ein bisschen wurde bei diesen Programmen die Sicherheit in den Hintergrund gerückt, denn als die Rennfahrzeuge aus der Startaufstellung auf die Strecke geschickt wurde, liefen Menschen einfach hin und her und mussten nicht nur einmal schnell auf die Seite springen um nicht von einem Auto erfasst zu werden. Aber zum Glück ist nichts passiert, und dann spricht auch keiner mehr davon.
Zum Glück ist auch beim eigentlichen Rennen keiner zu Schaden gekommen. Den Start verfolgte ich gebannt unten in der Eau Rouge, und ab Runde fünf war ich in der Teamgarage von RJN Motorsport. Ich war einfach nur fasziniert, verfolgte Runde um Runde die Sektorzeiten, fieberte mit Nissan mit, bestaunte den tollen Zweikampf vorne an der Spitze zwischen Audi und BMW. Doch die vielen leichtsinnigen Unfälle, die in der Startphase des Rennens passierten, schockten uns alle. Eine Safety-Car Phase jagte die nächste, und man hoffte die Unfälle würden endlich ein Ende nehmen – bis es schließlich noch mal richtig krachte im Kurvenabschnitt Stavelot. Die Stimmung war gekippt als dass Rennen abgebrochen wurde, jeder hoffte, dass der Fahrer überlebt (mittlerweile ist er wieder bei Bewusstsein.). Nach einer längeren Unterbrechung startete das Rennen dann wieder in der Dunkelheit und danach blieb es bei kleineren Blechschäden, bis am Sonntag um 16:30 die Schwarz-Weiß-Karierte Flagge das Ende signalisierte.
Nach dem vergangenen Wochenende mit 90 Minuten Schlaf in 36 Stunden. steht für mich eins ganz klar fest: Auch wenn die Formel 1 schon lange nicht mehr das ist was sie mal war, ich aber nach wie vor noch ein großer Fan bin – Spa mit den 24 Stundenrennen ist ein Erlebnis, an das kein Formel 1 Rennen der Welt rankommt. Offene Boxen für Fans, Fahrer die sich sogar noch freuen, ein Autogramm zu geben oder ein Foto zu schießen, einfach ein zugängliches (vollgepacktes) Fahrerlager, mit super genialen Autos, hochkarätigen Fahrern die sich seit Jahren in der Szene behaupten, klasse Racing und einfach Adrenalin pur. Ich bin nächstes Jahr auf jeden Fall wieder dabei!
Text: Jasmin Müller
Foto: Björn Habegger von www.mein-auto-blog.de