Let the Sunshine in

Mitte der 90er Jahre erfand Porsche den Boxster. Er sollte den Weg zum ersten eigenen Porsche für viele erschwinglich machen, die vom 911er träumen, jedoch nicht über das nötige Kleingeld verfügen oder einfach nicht so viel Geld für ein Auto ausgeben möchten. Schnell als „kleiner“ Porsche und „Frauen-Porsche“ verurteilt, verkaufte sich der Boxster zwar sehr gut, hatte aber bei „richtigen“ Männern ein eher unschönes Image. Ja, auch ich bewegte mich damals in dieser Meinungsschiene. Und das, wo der Boxster doch junge, sportive Menschen anziehen sollte. Er sollte der Neuzeit-Porsche mit dem James Dean Image sein. Und die Studie damals auf der IAA sah auch so aus, begeistert stand ich davor, sah mich schon die Tolle kämmen, einen roten College-Blouson überstreifen und den Schriftzug „Little Bastard“ auf meinen natürlich silber lackierten Boxster kleben.

Die Serienversion hatte dann optisch leider nicht mehr diese visuelle Porsche DNA, die ich mir von der Studie erhofft hatte, so zog ich die rote Jacke wieder aus.

Das was Porsche aber nun auf unserem Redaktionsparkplatz abstellte, ist etwas ganz anderes. Nach Tagen des Regens im Sommer 2012, scheint nun ausgerechnet am Ankunftstag des racinggelben Boxsters die Sonne. Ein Kollege ruft „Hey, der neue Boxster ist da, Dach auf, „Let the Sunshine in“.

Die dritte Generation Boxster ist das Beste was Porsche je in dieser Klasse gebaut hat. Optisch scharf, 6cm längerer Radstand, kurze Überhänge und etwas flacher ist er geworden. Designmerkmale des Carrera GT finden sich in der rasant gezeichneten Karosse und sie stehen ihm sehr gut. Alleine die Gestaltung der Heckleuchten mit der scharfen Kante und der Implementierung des ausfahrbaren Heckspoilers, hier hatte das Porsche Design-Team wieder einen ganz großen Moment.

Innen hat sich der Boxster auch stark weiterentwickelt. Über die perfekt ergonomischen Sitze schreiben wir nichts, hier ist seit den 70ern wohl alles gesagt und geschrieben worden. Man sitzt klassisch tief und genießt einen völlig freien Blick rundum. Und während man in manchen Sportwagen das Gefühl hat, die A-Säule sei einen Meter breit, nimmt man sie im Porsche nicht wahr. Freier Blick nach vorne auf die gewundene Landstraße.

Und hier ist der neue Boxster, wir fahren die 320 PS starke „S“-Variante mit PDK und Sport-Chrono-Paket, in seinem Element. Sicher könnte man auch mit 277 km/h über die Autobahn bügeln, an einem Samstag- oder Sonntagmorgen, aber nur schnell fahren, das können viele. Der neue Boxster macht aber erst auf der Landstraße richtig Spaß. Und davon haben wir hier im Taunus, rund um unser Redaktionsgebäude, einige, mit Kuppen, engen Links-Rechts-Kombinationen und langgezogene Kurvenradien, wunderbar. Die zwei Zentimeter mehr Spurbreite machen sich sofort durch eine bessere Straßenlage bemerkbar. Der neue Boxster S liegt ruhiger, unaufgeregter auf dem Asphalt. Die aus dem 911er bekannte elektromechanische Lenkung die ein äußerst präzises Fahren zulässt, lässt den Boxster wie von Zauberhand auch durch enge Gassen wedeln. Unterstützt durch ein verstellbares Fahrwerk sowie Torque Vecoring. Dieses lässt durch radselektive Bremseingriffe das Fahrzeug praktisch in die Kurve eindrehen. Dieser neue Boxster S hat mit dem Vorgänger in allen Technik-Belangen nicht mehr zu tun. Deutlich zeigt dies ein bestimmter Wert: Die berühmte Nordschleife des Nürburgrings umrundet der neue Boxster S in 7:58 Minuten, dass sind lange 12 Sekunden schneller als der Vorgänger. Walter Röhrl sagte einmal, „Für alles was auf der Nordschleife über 8:00 Minuten ist, ziehe ich keinen Helm auf“, im neuen Boxster S bräuchte er einen.

Der Basis Boxster ist mit seinem neuen 2,7 Liter Motor, 200 ccm weniger als zuvor, dafür mit 20 Mehr-PS ausgestattet, zwar nicht gerade untermotorisiert (0-100 km/h 5,8 Sekunden, Vmax 264 km/h), aber der Boxster S ist dann doch nochmals eine andere Liga. Der große Sechszylinder-Sauger mit 3,4 Liter Hubraum hat in allen Lagen deutlich mehr Bums. Dies heißt auf dem Papier, dass er den Spurt aus dem Stand auf 100 km/h in nur 4,8 Sekunden absolviert. In der Realität bedeutet dies, „SportPlus-Taste“ drücken, Lenkrad festhalten und ab geht die Luzy. Das automatisierte Getriebe lässt den Motor voll ausdrehen und schaltet dann ohne Pause in den nächsten Gang. Es geht schnurstracks nach vorne, in eben dieser „Renneinstellung“ nur unterbrochen von einem brutalen Schlag ins Genick, bedingt durch das Schalten ohne vom Gas gehen zu müssen, wie im Rennauto. Irre.

Und mit diesem Eindruck stehen wir nicht alleine da, wie uns Oliver Hilger, Sprecher von Porsche Motorsport, am Hockenheimring während des Porsche Supercups im Rahmen der Formel 1 mitteilte. „Der Nick (Heidfeld, Anm. der Red.) ist auch völlig begeistert von der Fahrdynamik des neuen Boxster S“, ja wenn der Nick das auch so sieht, kann unser Empfinden nicht so falsch sein. Die Agilität einerseits und gleichzeitig ein sparsamer Sportler, ein großartiges Fahrzeug. Sicherlich hat der Boxster S im Renntrim auf SportPlus auch einen Renndurst, es geht aber auch anders. Ich genieße die offene Fahrt mit 120 km/h über die Autobahn, der Wind streicht durchs Haar und lausche dem Säuseln des Porsche Boxsters. Bei dieser, normalen, Fahrweise, zeigt uns der Bordcomputer einen Durchschnittsverbrauch von lapidaren 7,7 Liter an. Kein Fabelwert, real. Und wenn wir ehrlich sind, wie fahren Sie im Alltag. Jeden Tag auf der Jagd nach der Bestzeit ins Büro oder einfach völlig normal. Genau.

Das Fazit fällt klar und deutlich aus. Der neue Boxster S ist einfach technisch besser und vor allem deutlich schöner als alle seine Vorgänger zusammen. Und vielleicht bestelle ich ihn nun doch, in GT-silbermetallic, klebe vorne die Nummer „130“ auf der Motorhaube und hinten „little bastard“. Der rote James Dean Blouson ist zumindest schon mal frisch aufgebügelt.

Text: Bernd Schweickard

Foto: Nina Ziegler

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