Ausgewählte Meisterwerke der Kunstgeschichte zeigen vom 11. April bis 30. Dezember 2014 im Gasometer Oberhausen die Vielfalt der Schönheit in der Kunst – 100 Meter hohe Installation „320° Licht“ von URBANSCREEN erzeugt virtuelle Räume.
Der Pariser Louvre, die Berliner Nationalgalerie, das MoMa aus New York, die Londoner Tate Gallery, die Uffizien in Florenz – die großen Museen der Kunstwelt sind 2014 mit Meisterwerken aus ihren Beständen im Gasometer Oberhausen zu Gast. Auf der Suche nach den vielfältigen Erscheinungsformen der Schönheit zeigt die Ausstellung „Der schöne Schein“ mehr als 150 ausgewählte Bilder und Skulpturen der vergangenen Epochen in großformatigen Fotografien und Abgüssen. Sie eröffnet den Besuchern ein Kaleidoskop der Schönheit und nimmt sie mit auf eine faszinierende Reise durch Kulturen und Zeitalter der Menschheit – von der Antike bis Picasso.
Schönheit kennt viele Gesichter. Jahrhundertelang spiegelten sie sich in den Bildern und Skulpturen ihrer Zeit. Sie zeigen: Schönheit kann harmonisch sein, strahlend, schlicht, elegant, kostbar, prachtvoll, aber auch heroisch, entfesselt, erschreckend, mitleiderregend, fantastisch, verträumt, verspielt oder verführerisch. „Reproduktionen vermögen nicht das Erlebnis der Originale zu ersetzen“, so Ausstellungskurator Prof. Peter Pachnicke. „Aber sie können die Kunstwerke in einem ‚imaginären Museum‘ miteinander vereinen, so dass wir die faszinierende Vielfalt der Schönheitsvorstellungen verschiedener Kulturen sinnlich erfahren und miteinander vergleichen können.“
Dieses „imaginäre Museum“ umfasst Bilder, die sich im Laufe der Kulturgeschichte in unser kollektives Bildgedächtnis eingeprägt haben. Die „Nofretete“, die „Venus von Milo“, Polyklets „Speerträger“, da Vincis „Mona Lisa“, Boschs „Garten der Lüste“, Botticellis „Geburt der Venus“, Hokusais „Große Welle“, Caspar David Friedrichs „Mondaufgang am Meer“ oder van Goghs „Sternennacht“: Sie alle sind heute Teil des kollektiven Bildgedächtnisses der Menschheit – und im Rahmen der Ausstellung „Der schöne Schein“ vereint im Gasometer Oberhausen zu sehen.
Während Kunstwerke häufig in chronologischer Reihenfolge oder getrennt nach den Künstlern gezeigt werden, finden sie sich in „Der schöne Schein“ thematisch gegliedert. Himmel und Erde, Mensch und Natur, Werden und Vergehen – die großen Themen unseres Daseins spiegeln sich in den insgesamt neun Abteilungen der Ausstellung: „Himmlische Sphären“, „Goldenes Zeitalter“, „Urteil des Paris“, „Verklärung des Todes“, „Gestalt des Menschen“, „Antlitz des Menschen“, „Schönheit des Schreckens“, „Ruinenlandschaften“ und „Erhabenheit der Natur“.
Außergewöhnlich ist nicht nur die Anordnung. „Der schöne Schein“ zeigt die Meisterwerke in monumentaler Gestalt. Die meisten Abbildungen werden – zum Teil deutlich – vergrößert wiedergegeben und bieten so ungewohnte Einblicke in Technik und Detailreichtum der Originale. In der Vergangenheit, vor der Entwicklung der Fotografie und der Massenmedien, haben Reproduktionen das kollektive Bildgedächtnis bestimmt. Sie ermöglichen unverändert neue und variierende Sichtweisen unabhängig von Epochen, Gattungen oder Kulturkreisen – wie die Ausstellung „Der schöne Schein“ eindrucksvoll beweist.
Künstlerischer Höhepunkt der Ausstellung ist die Installation „320° Licht“ der Bremer Künstlergruppe URBANSCREEN. Sie nimmt die kathedralenartige Schönheit des Gasometers zum Ausgangspunkt für ein faszinierendes Spiel mit Formen und Licht. In einem Radius von 320 Grad wachsen und verändern sich auf der 100 Meter hohen Innenwand des Gasometers grafische Muster. Der Betrachter erlebt ein rund 20-minütiges, ständig fortlaufendes Wechselspiel zwischen realem und virtuellem Raum, bei dem sich der Gasometer in seine Strukturen aufzulösen scheint und schließlich doch immer wieder zu seiner klaren Form zurückfindet.
Punkte, Linien und Flächen zeichnen die elementaren Bestandteile der umgebenden Architektur nach. Von der Eindimensionalität hin zur Dreidimensionalität entwickelt sich innerhalb der Inszenierung ein imaginärer Raum. „Diese Schwerpunktsetzung bedeutet für uns einen konsequenten Verzicht auf konkrete Bildelemente, die in ihrer unauflöslichen Zeichenhaftigkeit immer auch auf externe Inhalte verweisen“, so die international gefragte Künstlergruppe. Die grafischen Grundelemente tauchen überwiegend als weißer Vollton auf und offenbaren ihre zweite Funktion, wenn im ausgeleuchteten Quadrat auch die charakteristische schwarzbraune Oberfläche des Innenraums erkennbar wird.
Über sieben Kanäle eingespeiste Klänge ergänzen die raumprägende Wirkung der Installation. Die Komposition baut auf dem gegebenen Raumklang und seinem natürlichen Widerhall auf und bildet so eine organische Einheit mit der visuellen Ebene der Arbeit. „Dabei geht es nicht im konventionellen Sinne um eine akustische Beschallung – vielmehr begreifen wir den Gasometer als eigenständigen Klangkörper, den es wie ein Instrument zu ‚spielen‘ gilt. Jeder Ton ist von der Beschaffenheit des Ortes gefärbt und somit seinem ursprünglichen Klang entfremdet“.
„320° Licht“ wird mit 21 Projektoren des Projektpartners Epson realisiert. Mit rund 20 000 Quadratmetern bespielter Fläche gehört die Installation zu den größten und technisch anspruchsvollsten Innenraumprojektionen weltweit.
(c) Foto: Thomas Machoczek (Titel), Wolfgang Volz (320° Licht), Jörg P. Peters („Porträt einer Dame (Simonetta Vespucci)“ von Sandro Botticelli)