Sculptural ART made by Jaguar
Der Jaguar F-Type hatte eine große Last zu tragen. Der ewige Vergleich zum automobilen Kulturgut E-Type aus den 60er Jahren kann auch schnell zum Fluch als zum Segen werden. Dazu soll er das Image der Marke aufpolieren. Junger, interessanter, fescher machen. Sehr viele Aufgaben, wenn man bedenkt, dass das automobile Umfeld mit Porsche, Mercedes und BMW sehr stark besetzt ist.
„Schönster Sportwagen des Jahres“ ist nur eine von vielen Auszeichnungen die der Jaguar F-Type mittlerweile in der kurzen Zeit eingeheimst hat. Zum Start zuerst das emotionale Cabrio zu bringen, war sicherlich ein guter Schachzug der Briten und nun schieben sie das wunderschön gezeichnete Coupe nach. Kann ein solches Auto auch in der Basismotorisierung Spaß machen? Wir gehen der Frage nach und erhalten von Jaguar Deutschland hierzu nicht den durch Mark und Bein brüllenden V8 S, sondern den „kleinen“ V6 Kompressor-Motor mit 340 PS. In dieser Variante kostet der Einstieg in die neue Jaguar Sportwagenwelt 67.000 Euro.
Unverändert vom Preis bleibt dabei das Design dieses Klassikers der Moderne. Die Front ist ja schon vom Cabrio her bekannt, aber wie gekonnt die Briten das Dach aufgesetzt haben, ist bemerkenswert. Von Vorteil ist seine visuelle Nähe zur 2011 gezeigten Studie C-X16, die mit viel Applaus bedacht wurde. Aus allen Perspektiven wirkt das F-Type Coupe energiegeladen, rassig, wie eine Skulptur auf vier sehr breiten Rädern. Standardmäßig auf 245/45 R 18 und 275/40 R 18 hinten, lassen ihn breit und sprungbereit auf der Straße stehen. Maskulin und gleichzeitig grazil wie ein durchtrainierter Gentleman-Sportler im auf Taille geschnittenen Designeranzug.
Wenn man sich einmal Zeit nimmt diesen Wagen wirken zu lassen, geht seitlich am Heck leicht in die Knie und lässt seinen Blick über das Heck und die C-Säule nach oben und seitlich nach vorne gleiten, das ist „real carporn“.
„Das Design des Jaguar F-Type Coupe ist so atemberaubend, dass man spontan Lust auf eine Hand-Autowäsche bekommt.“
Ein fast schon unanständiges Auto für die doch sonst so aristokratisch zurückhaltende Marke Jaguar. Und das ist gut so. Ein solches Auto hat Jaguar gefehlt. Ein hochemotionaler Imagebringer der die Marke aus der Bedeutungslosigkeit rettet, wenn man das auf die sicherlich guten, aber von den Verkaufszahlen nicht bedeutenden, ehemaligen Zugpferden XJ und XK betrachtet.
Kann der „kleinste“ F-Type auch beim Fahren überzeugen, oder ist es eher etwas nur für die schicke Fahrt zur Lounge in urbaner Umgebung? Beim Druck auf den Startknopf kommt die erste Überraschung, der V6 ist so leise wie eine Hauskatze und hat nichts mit einem Raubtier zu tun. Gut, wir sind evtl. auch etwas verwöhnt, da wir bereits den V8 S und V6 S mit Klappenauspuff in der Cabrio-Variante fuhren.
Das Fahren über die herbstlichen Highlands im Taunus, Landstraßen klänge viel zu trivial, sind dagegen ein Genuss. Der F-Type ist straff abgestimmt, Sportwagen-Like, besitzt aber keine unangenehme Härte, was ihn auch zum eleganten Langstrecken-Gran-Turismo avancieren lässt. Eine Wonne ist der Motor. Der V6 dreht dank Kompressor aus niedrigen Drehzahlen souverän hoch und meldet sich dann auch akustisch durch seine beiden Zwillingsrohre, die zentral am Heck positioniert sind, angriffsbereit zum Tanz.
Der Vortrieb wird mittels Achtstufen-Automatik erledigt. Feine Schaltvorgänge werden automatisiert oder per Schaltwippen am Lenkrad vorgenommen. Was den F-Type aber zur reinen Fahrmaschine werden lässt und Benzin-Maniacs die Fahrfreude mittels Lächeln ins Gesicht zeichnet, ist die perfekte Lenkung. Die elektro-hydraulisch unterstützte Zahnstangenlenkung zählt zu den Besten in diesem Fahrzeugsegment, die wir erleben durften. So lassen sich im Trockenen überschaubare Landstraßenkurven gezielt ansteuern und im Nassen, wenn das Heck zum Überholen der Front ansetzt, lässt er sich gut dirigieren. Und das Heck kommt bei Nässe oft. Erfahrene Piloten lassen den F-Type gerne quer durch die Kurven fliegen. Weniger erfahrene oder talentierte Normalfahrer sollten dann doch der gut funktionierenden Elektronik vertrauen. Wobei der F-Type schon eher ein Männerauto ist, dass eine freundschaftliche, aber harte Führung verlangt. Wie wir das schon beim Cabrio, vor allem mit den starken Motorisierungen erleben konnten, „Nass heißt Quer“ im F-Type.
In diesem Punkt sind seine Konkurrenten aus Stuttgart oder München softer, fahren auch in diesen Situationen entspannter und, man traut es sich kaum über einen Cayman oder Z4 zu sagen, langweiliger.
Das trifft auch auf die Verarbeitung und Qualität zu. Im F-Type ist ergonomisch alles perfekt, wenn man gerne in ein Fahrzeug wie selbst eingebaut sitzt. Perfekt meinen wir, andere möchten gerne mehr optischen Platz, wobei der F-Type auch für Mitmenschen der höheren Gewichtsklasse oder großen Menschen überdurchschnittlich viel Platz bietet.
Aber, wenn man es positiv beschreiben möchte, in der Tradition eines britischen Automobils, zeigen sich zu einem deutschen Premium-Produkt Schwächen im Detail. Während unserer 14-tägigen Testphase knarrte der Beifahrersitz in Kurven, wenn er ganz zurückgeschoben ist. Ein Geräusch von verschiedenen Materialien die aufeinander reiben ist für ein Auto das schön ausgestattet in Richtung der 80 bis 90.000 Euro Marke schreitet, nicht akzeptabel. Das Problem hatten wir auch bereits in einem der beiden gefahrenen Cabriolets. Das aus unserem XF Testwagen bekannte Elektronikproblem, dass die Parksensoren einen Kreischalarm der Anlage auslösten, obwohl nichts in der Umgebung ist, haben wir auch in diesem F-Type erleben müssen. Als wir die Automatik auf „R“ stellten, schrillt der Alarm in maximaler Lautstärke los, obwohl nichts im Umfeld ist. Erst das komplette Ausschalten des Wagens und der Neustart lösten das Problem.
Nun sind wir wieder beim emotionalen Punkt. Sicherlich, wenn man einen rundum perfekten Wagen sucht, der auch in der Haptik dem Jaguar etwas voraus ist, das Händlernetz groß und die Anzahl eventueller Unpässlichkeiten klein ist, sollte man vielleicht besser zu einem Platzhirschen greifen.
Wenn man aber ein Automobil mit dem Herzen kauft und etwas außergewöhnliches möchte, sollte in dieser Fahrzeugklasse das F-Type Coupe ganz oben auf der Wunschliste stehen.
Denn auch mit der Basismotorisierung büßt der F-Type nichts von seiner Faszination ein. Eher im Gegenteil, es ist eine kostenüberschaubare Methode, ein individuelles Premium-Modell zu fahren, dass eine solche Faszination ausstrahlt.
Unser Tipp für eine Testfahrt um den Mythos Jaguar zu erleben, an einem Sonntag Vormittag. Nicht zum Rasen, zum Gleiten und Genießen der Faszination Jaguar!
Text: Bernd Schweickard
© Foto: Bernd Schweickard, Jens Scheibel