3 days @ Nissan Race Camp

Das größte Autorennen der Welt steht an, wenn am Samstag um 16 Uhr die Ampel am Nürburgring auf „Grün“ geschaltet wird. Die Rede ist vom seit 1970 ausgetragenen 24h-Rennen über die GP-Strecke und die Nordschleife. Doch dieses Jahr wird es für unser AWR Magazin etwas ganz Besonderes sein. Ich bin für drei Tage zu Gast bei Nissan Motorsport (NISMO) und darf exklusiv ganz nah am Team sein und im Nissan Race Camp mit der mittlerweile schon Kult gewordenen Zeltstadt mit Blick auf die NGK-Schikane. Eines dieser Zelte soll in diesem Jahr also von mir gefüllt werden. Dazu die Deutschland-Premiere des großen Godzilla, des GT-R Nismo!

Es ist also für ein umfangreiches Programm gesorgt. Schnell Isomatte, Schlafsack und die üblichen Waschsachen eingepackt, in unserem zum Thema passenden Nissan Juke Nismo Testwagen verpackt, die Fahrstory dazu demnächst hier und ab in die grüne Hölle.

Ein wahres Vollgasprogramm steht an, bei meiner Ankunft am Freitag Nachmittag läuft gerade das 24h Classic Race und danach geht es direkt mit dem Qualifying zum Hauptrennen weiter. Im Race Camp kann man die Anspannung deutlich merken, denn erstmals geht es für das japanische Unternehmen und dessen Motorsportabteilung NISMO nicht mehr nur um Klassensiege, sondern um Top-Positionen im Gesamtklassement. Mit zwei GT-R NISMO GT3, eingesetzt als Nissan GT Academy Team RJN sowie ein von Schulze Motorsport genannter dritter GT-R konkurrieren bei der 42. Auflage des Eifel-Marathons gegen die Crème de la Crème des GT-Rennsports. Dabei betreten Piloten und Autos kein unbekanntes Terrain, ist doch die „Grüne Hölle“ seit langem das Wohnzimmer des Nissan GT-R. Hier prüft Nissan traditionell alle GT-R vor ihrer Serienfreigabe noch einmal auf Herz und Nieren. Und hier gelang Michael Krumm im September 2013 auf einem nur leicht modifizierten Nissan GT-R NISMO eine Runde in 7.08,679 Minuten – neue Bestzeit für einen in größeren Stückzahlen hergestellten Straßensportwagen auf der 20,8 Kilometer langen Nordschleife. Die Präsentation abends im Nismo Zelt mit viel Rauch, Effekten und Musik, wird mit viel Applaus der anwesenden Gäste ausgezeichnet. Kein Wunder, sind doch zahlreiche Gäste bereits Kunden eines „normalen“ GT-R Wien ich auf dem VIP-Parkplatz sehe. Es schaut schon hier aus wie der wahr gewordene Traum meiner frühen Playstation-Jahre.

Ein Traum wurde wohl auch für den amtierenden deutschen GT Academy-Sieger Florian Strauß wahr. Vor einem Jahr saß er noch Zuhause an seiner Playstation und nun sitzt er mit Lucas Ordonez, GT Academy Sieger von 2008 und Alex Buncombe in einem GT-R Nismo, der zur Erinnerung an das 80. Unternehmensjubiläum von Nissan mit der Startnummer 80 versehenen ist. Angeführt wird das internationale Nissan-Fahrer-Team für das 24-Stunden-Rennen des Jahres 2014 vom langjährigen Formel-1-Piloten Nick Heidfeld, der auch als Chef-Jurymitglied der deutschen GT Academy fungiert. Lehrer und Schüler gemeinsam in einemRennboliden, eine spannendes Team die Nismo hier an die Startlinie bringt.

Der fließend japanisch sprechende NISMO-Markenbotschafter Michael Krumm bildet im zweiten GT-R NISMO GT3 mit den drei Japanern Kazuki Hoshino, Katsumasa Chiyo und Tetsuya Tanaka ein fernöstliches Quartett. Die Startnummer 30 auf ihrem GT-R NISMO GT3 symbolisiert das 30-jährige Bestehen der Nissan-Motorsport- und Werkstuning-Abteilung NISMO.

Heute Nacht im Zelt noch mal „richtig“ schlafen, morgen beginnt dann das aufregende Rennen einmal rund um die Uhr. Und dieses „morgen“ kam schneller als gedacht. Schon sehr früh durchbricht Motorenlärm die Stille der Eifel. Warm Up ist angesagt und das bedeutet für mich, raus aus dem Zelt, waschen und frühstücken. Im Nissan Race Camp herrscht eine angenehme Atmosphäre. Trotz der früher Uhrzeit erblicke ich viele fröhliche Gesichter und die Vorfreude ist bei jedem Gast zu sehen.

„それはみんなに来る“ heißt es auf japanisch, wir sagen der Einfachheit halber „Auf gehts Jungs“.

Das Rennen beginnt zerfahren, es erinnert eher an ein Speedrennen mit Autoscooter-Anteil. Viele Unfälle, Berührungen und extremes Gedrückt wie ich es bei einem Langstreckenrennen noch nicht gesehen habe. Auch die Nissan Mannschaft blieb nicht verschont. Gleich in Runde eins, als eine leichte Kollision Startfahrer Buncombe zur Reparatur an die Box zwang, war klar, dass das 24h-Rennen in diesem Jahr keine Spazierfahrt werden sollte. Der Zwangshalt kostete das Team eine Runde, doch danach war Alex in der Lage, die Rundenzeiten der Spitze mitzugehen.

Auch Nick Heidfeld legte einige schnelle Stints hin, ehe Nissan in der Nacht erneut vom Pech eingeholt wurde. „Nach dem tiefsten Punkt der Fuchsröhre, einer bekanntlich sehr schnellen Stelle, sah ich auf dem Bergaufstück ein gelbes Licht und doppelt geschwenkte gelbe Flaggen. Zeichen dafür, dass man auf 60 km/h verzögern muss. Ich bremste so stark wie möglich, doch kam die Warnung etwas zu spät. Plötzlich standen zwei Autos quer auf der Bahn. Ich hatte die Wahl, eines der beiden zu touchieren oder aufs Gras auszuweichen. Da ich nicht sicher war, ob vielleicht Streckenposten auf dem Seitenstreifen waren, entschied ich mich zur Kollision.“

Der Zusammenprall war heftig genug, um den Nissan eine Stunde lang an die Box zu binden. Wieder hergerichtet, lief die Nummer 80 dann klaglos durch bis ins Ziel. „Insgesamt hat das Rennen schon Spaß gemacht, auch wenn wir das angepeilte Ergebnis verfehlt haben“, sagte der Mönchengladbacher. „Realistisch betrachtet hatten wir die Speed für eine Top Ten Platzierung.“

Das Fahrer-Quartett im zweiten Werks-Nissan GT-R NISMO GT3 – Michael Krumm und die drei Japaner Kazuki Hoshino, Katsumasa Chiyo und Tetsuya Tanaka – fuhr acht Stunden lang ein konstant starkes Rennen. Ehe es dann – als Ironie des Schicksals – ebenfalls ausgangs Fuchsröhre zu einem Zwischenfall kam. Auch Hoshino musste dort einem gestrandeten Fahrzeug ausweichen, krachte aber im Gegensatz zu Heidfeld brutal in die Leitplanke. Zwar konnte er den GT-R #30 noch zurück zur Box schleppen, doch nach der Inspektion des Fahrzeugs entschied sich das Team um 02:30 Uhr zur Aufgabe. Zu diesem Zeitpunkt stehe ich schon vor der Nissan Box bereit, als markerschütternde Schleifgeräusche die Boxengasse erfüllen und der weidwunde GT-R angerollt kommt. Es ist ein neues „Racing“-Gefühl was aufkommt, auch wenn man „nur“ Gast ist, aber die Nissan Nismo Mannschaft hat einen so herzlich aufgenommen, dass man sich schon als Teil des Teams fühlt, wenn auch nur ein ganz kleines. So leidet man plötzlich irgendwie mit, nimmt das Gewusel in der Box rund um den zerstörten Wagen ganz anders auf, als früher vor dem TV, als eben nur ein weiteres Auto ausgefallen ist. In diesem Fall ist es „unser“ Auto. Man sieht den ondulierten Wagen, die traurigen Gesichter der Mechaniker und Verantwortlichen, aber, gleichzeitig ist da irgendwie diese Aufbruchstimmung, dieses „Jetzt-erst-recht“-Gefühl im Raum, oder besser, in der Box.

Denn als bestplatzierte Nissan-Mannschaft lief nach vorheriger 15-stündiger Reparatur nach einem Trainingsunfall, der GT-R NISMO GT3 des Teams Schulze Motorsport mit Kazanori Yamauchi, den Brüdern Tobias und Michael Schulze sowie dem ehemaligen europäischen GT Academy Sieger Jordan Tresson ein – Platz elf in der Klasse und Platz 14 im Gesamtklassement. Ein umso erfreulicheres Ergebnis, hatte die Truppe aus Sachsen-Anhalt doch nach einem Unfall im zweiten Training am Donnerstagabend erst nach 15-stündiger Reparatur das Auto wieder flott machen können.

Abseits der Strecke sei das 24-Stunden-Rennen für Nissan in jedem Fall ein großer Erfolg gewesen, so Darren Cox, weltweit verantwortlich für Brand sowie Marketing & Sales, NISMO, weiter. „Wir konnten unsere treuen Fans dank des Live-Streams von NISMO.TV bestens unterhalten und im NISMO Race Camp eine große Zahl von Gästen begrüßen. Auch wenn wir wegen Platten, Unfällen und etwas Pech auf der Strecke nicht die gesteckten Ziele erreichen konnten, hat das Nissan-Team alles gegeben. Wir kommen nächstes Jahr wieder!“

Auch ich bin begeistert und empfehle jedem der die Möglichkeit hat, sich eines der limitierten Race Camp Tickets für 2015 zu sichern. So hautnah am Renngeschehen dran zu sein, dass gibt es nur im Nissan Race Camp!

Text: Bernd Schweickard

(c) Foto: Bernd Schweickard

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