Auf Ballhöhe mit Urs Meier
Eigentlich müsste der Schweizer Urs Meier in Deutschland in den Top Ten der am wenigsten gemochten Alpenbewohner auftauchen. Aber das Gegenteil ist der Fall und das nicht nur weil er mittlerweile mit seiner Familie im spanischen Marbella wohnt.
Als der ehemalige FIFA-Schiedsrichter im WM Halbfinale 2002 Michael Ballack im Spiel gegen Portugal die gelbe Karte zeigte und ihm die Teilnahme am Finale versagte, schrie eine ganze Nation auf. Mittlerweile haben aber nicht nur die Deutschen „ihrem“ Urs verziehen, sondern auch Michael Ballack selbst, der sagt „Es war ein klares Foul, Urs konnte gar nicht anders handeln“. Nur eine kleine von vielen Geschichten und Anekdoten in seinem neuen Buch „Urs Meier – Mein Leben auf Ballhöhe“, erschienen im Delius Klasing Verlag.
Diese Autobiografie soll aber kein Runtererzählen von Erlebnissen sein. Obwohl der ehemalige Weltklasse Schiedsrichter in gesamt 883 Einsätzen in Ligen, Champions League, EM- und WM-Einsätzen sicher reichlich Erlebnisse gesammelt hat.
Es geht vielmehr um einen Jungen, der in den 70ern den Traum von der großen Fußballbühne hat, der diesen Sport so sehr liebt, ihn aber nicht ausüben darf. Sein Vater verbot ihm die Mitgliedschaft in einem Fußballverein und so musste er wie viele damals in einen örtlichen Turnverein seine Sportlichkeit unter Beweis stellen. Seinen Traum, einmal im Mailänder Stadion San Siro aufzulaufen, lies er sich aber nie nehmen. Als er endlich das Alter erreichte um selbst Entscheidungen treffen zu können, stand die Mitgliedschaft im Fußballverein ganz oben auf der todo-Liste.
„Urs Meier ist keiner der sich verbiegen lässt um den Leuten zu gefallen.
Urs Meier gefällt den Leuten, weil er sich nicht verbiegen lässt!“
Und dann begann Urs Meier an seinem persönlichen Traum zu arbeiten. Schiedsrichterausbildung und mit 18 Jahren erste Einsätze in den unteren Klassen. Aber auch diese harte Schule der Realität, abseits der glorifizierten Fußballromantik, durchsteht er, um seinen Traum erfüllen zu können. Mit 39 Jahren möchte er 1998 an der WM in Frankreich teilnehmen und handelte sich für diese Aussage überwiegend Gelächter ein. Aber die Beharrlichkeit und Leidenschaft für diesen Sport soll sich auszahlen und ist auch Teil des Buches. Positiv denken und nicht träumen, sondern hart für seinen Traum arbeiten und sich nicht beirren lassen, ist Teil seiner Botschaft. So wie damals, als die Lächler verstummten, als er bei der WM auflief.
Es folgten 27 erfolgreiche Profi-Jahre und zahlreiche Auszeichnungen. Alleine siebenmal Schweizer Schiri des Jahres und sogar den „Deutschen Fernsehpreis“ kann er als Trophäe in die heimische Vitrine stellen. Den gab es für seine Arbeit als ZDF Fußballexperte mit Johannes B. Kerner und Jürgen Klopp zur Fußball WM 2006 in Deutschland. Dieser Tätigkeit blieb er bis heute treu und wird auch 2016 zur EM als ZDF Fußballexperte zu unterhalten wissen.
„Als Schieri musst du spüren wie ein Spiel läuft“
In dieser Funktion hat er sich nicht nur in die fußballerischen Herzen der Deutschen „gespielt“. Mit Sachverstand und offener Rede bringt er dem Zuschauer die nicht immer einfachen Zusammenhänge eines Spiels näher. Hierzulande ist er mittlerweile bekannter als der italienische Schiedsrichter-Charakterkopf Pierluigi Collina. Diesen ebenso ehemaligen Weltklasse- Schiedsrichter nimmt er auch als Beispiel, für sein großes Thema „Professionalisierung der Schiedsrichter“.
Obwohl er schon 2004 aus dem aktiven Schiedsrichterdienst ausgeschieden ist, weil er das FIFA-Alterslimit für Schiedsrichter von 45 Jahren erreichte, liegt ihm die Entwicklung noch sehr am Herzen. „Die Schiedsrichter sollten das 19. Profiteam in der Liga sein“, ist eine seiner Meinungen.
Dazu führen wir ein kleines Interview mit Urs Meier
AWR
Aktuell gibt es gefühlt so viele Schiedsrichterdiskussionen wie noch nie. Woher kommt das?
UM:
Der Fußball hat sich rasanter entwickelt als die Schiedsrichter. Die Spiele sind schneller und komplexer geworden. Warum ist das so? Weil wir, auch in Deutschland, ein professionelles Nachwuchs- und Aufbausystem haben. Selbst die jungen Spieler sind schon Vollprofis, der Schiedsrichter hingegen arbeitet unter Woche und am Wochenende pfeift er ein Spiel. Daher benötigen wir Profi-Schiedsrichter, zumindest für die großen Spiele.
AWR:
Worin liegt der Unterschied zwischen einem Profi und Nicht-Profi?
UM:
Nicht nur die Spieler, auch ein Schiedsrichter macht mal Fehler. Es sind am Ende auch nur Menschen und keine Roboter. Der Unterschied ist aber in der Fehlerquote, die es zu minimieren gilt. Auswertungen ergeben, dass ein Profi Vollzeit-Schiedsrichter nur 2% Fehlerquote pro Spiel hat, bei einem Nicht-Profi liegt diese bei 5%.
AWR:
Wie würden Sie eine Verbesserung umsetzen wollen?
UM:
Direkt am Montag nach dem Spieltag müssten, z.B. in Frankfurt beim DFB, alle Schiedsrichter zusammenkommen. Dann wird das Wochenende analysiert und bis Mittwoch gemeinsam an einem Tisch gearbeitet. Nur so bekommt man alle zusammen und kann Regeln durchsetzen. Was bringt es, wenn acht von zehn Schiedsrichtern eine Regeländerung auf dem Platz durchsetzen, aber zwei nicht. So werden die Diskussionen nie enden.
AWR:
Kann die Technik da helfen
UM:
Die Torlinientechnik haben wir bereits und das ist gut. Ein Videobeweis ist auch gut, aber nicht für Alles. Der Mensch muss wieder mehr in den Mittelpunkt des Spiels. Fairness und Respekt gehört dazu. Bei einem Pierluigi Collina hätte sich niemand getraut zu diskutieren ob der Freistoß einen Meter zu weit vorne oder hinten ist. Ein guter Profi-Schiedsrichter kann ein Spiel verstehen, verwächst mit dem Spielgeschehen. Fußball ist ein Sport der von der Bewegung lebt. Wenn nun ständig eine Unterbrechung wäre um einen Videobeweis einzuspielen, dass stört den Spielfluss.
AWR:
Zur kommenden EM werden Sie wieder ZDF Fußballexperte sein. Wer wird Europameister?
UM:
Deutschland! Wenn sie die Schweiz überwinden können …
AWR:
Vielen Dank für das Gespräch Herr Meier
Das Interview führte AWR Herausgeber Bernd Schweickard
In seinem neuen Buch geht Urs Meier natürlich noch viel tiefer in die Thematik der Professionalität von Schiedsrichtern ein. Begleitet von unterhaltsamen Lebenserfahrungen aus unzähligen Turnieren und Ligaspielen. Das Buch bietet nicht nur für Fußballfans eine kurzweilige Unterhaltung, dessen Vorwort von Jürgen Klopp geschrieben wurde. Vielmehr ist es ein Plädoyer für Fairness und den tollen Sport Fußball. Es möchte jungen Menschen des Beruf des Schiedsrichters nähern bringen und Mut machen, an seinen Träumen und Zielen festzuhalten.
Text: Bernd Schweickard
© Foto: Eike Lorenz, Bernd Schweickard
Facts zum Buch:
- 1. Auflage 2016
- gebunden mit Schutzumschlag
- ISBN: 978-3-667-10444-1
- 256 Seiten
- Verlag Delius Klasing
- 14,5 x 22,1 cm
- 38 Farbfotos
- 5 Schwarz-Weiß-Fotos
- Preis: 19,90 Euro
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