Zündschlüssel ein wenig drehen. Die Benzinpumpe nimmt mit leisem Ticken ihren Dienst auf, die transistorgesteuerte Dinoplex C sortiert leise sirrend die Zündfunken. Wenn das langsamer werdende Tack-Tack anzeigt, dass sämtliche Schwimmerkammern der drei Doppelvergaser geflutet sind, und der leise Summton der Motorelektronik die höchste Frequenz erreicht hat, das Gaspedal zwei, drei Mal kräftig durchtreten, dann den Zündschlüssel ganz herumdrehen – der V6-Zylinder erwacht auf die erste Anlasserumdrehung mit heiserem Brüllen zum Leben. Schon das Startritual verrät: Unter der langen Haube des Fiat Dino Spider arbeitet ein Rennmotor. Und zwar einer von Ferrari.
Tatsächlich entstand das auf dem Turiner Automobilsalon 1966 präsentierte Cabriolet in Kooperation zwischen Fiat und den Motorsportlern aus Modena. Die mussten nämlich aufgrund von Änderungen im technischen Reglement ein neues Triebwerk für die zu dieser Zeit äußerst beliebte Formel 2 konstruieren. Die damaligen Regularien verlangten, dass Formel-2-Motoren aus einem Straßenfahrzeug stammten, das innerhalb eines Jahres mindestens 500 Mal verkauft wurde. Eine Stückzahl, die für Ferrari Mitte der 1960er Jahre nicht erreichbar war. Schon gar nicht mit einem Motor, der nur halb so viele Zylinder aufweisen durfte wie der von Enzo Ferrari bevorzugte V12.
Da kam das Vorhaben von Fiat gerade recht, zum Einstand des neuen Präsidenten Giovanni Agnelli ein für die Marke ungewöhnliches Fahrzeug auf die Räder zu stellen – einen Sportwagen der Oberklasse. Schon zu dieser Zeit pflegten der Turiner Großserienhersteller und Ferrari gute Kontakte, man war gegenseitiger Hilfe keineswegs abgeneigt. Weil die Zeit drängte, entschieden sich die Fiat Ingenieure beim technisch grundsoliden Chassis für Bewährtes. So war beispielsweise die zeitgemäß starre Hinterachse in ähnlicher Form im Fiat 2300 Coupé im Einsatz, lediglich die zwei Stoßdämpfer pro Rad waren ein Zugeständnis an die höhere Motorleistung. Auch das Getriebe beruhte auf dem des Fiat 2300 Coupé, wurde allerdings um einen fünften Gang erweitert.
Während das Design des wenig später präsentierten Fiat Dino Coupé bei Bertone in Auftrag gegeben wurde, entstand die Karosserie des Spider bei Pininfarina. Die atemberaubende Linie zeigt Stilelemente einiger vorangegangener Designstudien von Ferraris Lieblingsdesigner. Auch die geschwungenen Kotflügel erinnern an Sportprototypen von Ferrari. Fahrer und Beifahrer haben im Cockpit überraschend viel Platz. Der ursprünglich als Notsitze gedachte Raum hinter den beiden Vordersitzen dient als zusätzliche Gepäckablage. Das aufwändig gefertigte Verdeck, das sich auch bei Geschwindigkeiten jenseits von 150 km/h nicht verformt und Regen sehr gut abhält, lässt sich mit einer Hand öffnen oder schließen.
Hohen Aufwand erforderte die Konstruktion des Motors. Immerhin war der Spagat zwischen einem siegfähigen Formel-2-Triebwerk und einem alltagstauglichen Serien-V6 gefordert. Die Grundkonstruktion stammt von Vittorio Jano und war von Ferrari mit Hubräumen zwischen 1,5 und 3,2 Liter seit 1957 in verschiedenen Rennklassen eingesetzt worden. Der Name Dino ist dabei eine Hommage an Enzo Ferraris Sohn Alfredo. Der 1956 an einer Muskelkrankheit verstorbene Ingenieur hatte an der Entwicklung des Motors mitgearbeitet. Jetzt fiel Fiat Chefentwickler Aurelio Lampredi, dem Vater der legendären Zwölfzylinder von Ferrari, die Aufgabe zu, das Renntriebwerk in Zwei-Liter-Version für den Serieneinsatz zu modifizieren.
Obwohl die Fertigung von Fiat übernommen wurde, behielt Lampredi die für eine Serienproduktion exotische Bauweise des Motors bei. Block und Zylinderkopf bestehen aus Aluminium. Ölwanne, Ventildeckel und Ölpumpengehäuse wurden sogar aus Magnesium gefertigt. Die vierfach gelagerte Kurbelwelle, Pleuel und die nass eingesetzten Kolben sind geschmiedet. Auch die von Magneti Marelli entwickelte Transistorzündung vom Typ Dinoplex C war bis dahin nur in Formel 1 und Formel 2 eingesetzt worden.
Allerdings fügte Lampredi zahlreiche strukturelle Verstärkungen hinzu, die eine Haltbarkeit von mehr als der Länge eines Formel-2-Rennens garantieren sollten. Der ungewöhnliche Zylinderwinkel von 65 Grad blieb unverändert. So war ausreichend Platz gegeben für die beeindruckende Batterie von drei Weber-Doppelvergasern. Pro Zylinderbank betätigen zwei über Ketten angetriebene Nockenwellen die zwei Ventile pro Zylinder. Zusammen mit dem ultrakurzen Hub von nur 57 Millimeter sind so Kurbelwellendrehzahlen bis zu 8.000 kein Problem, die Nennleistung von 160 PS liegt bei 7.200 Touren an – bei einem Serienmotor. Ferrari gab übrigens für den mit identischem Triebwerk ab 1967 gebauten Dino 206 GT ungeniert 180 PS an.
Allerdings zeigte sich schon bald, dass die pure Renntechnik des Zweiliter-V6 im Alltag den einen oder anderen Nachteil mit sich brachte. So mussten zum Einstellen des Ventilspiels die Nockenwellen ausgebaut werden. Eine konstruktive Änderung im Produktionsjahr 1968 beseitigte dieses Problem. Schon zuvor war das Interieur überarbeitet worden. Außerdem wurde nun auch ein Hardtop als Extra angeboten.
Der bildhübsche, 1.150 Kilogramm leichte Spider erreichte für die Zeit beeindruckende 210 km/h. Serienmäßiges Sperrdifferenzial, verwindungssteife Karosserie und die standfeste Bremsanlage mit Scheiben an allen vier – ebenfalls aus der Magnesium-Legierung Electron bestehenden – Rädern sorgen für sportliches Fahrverhalten. Wenn auch nicht ganz so ausgeprägt wie das Coupé, ist aber auch der Fiat Dino Spider eher als eleganter Gran Turismo denn als aggressiver Sportwagen ausgelegt. Beide Modellversionen wurden ein Hit unter den Fans, die Technik von Ferrari zum Preis eines Fiat – immerhin der Oberklasse – erwarben. Der Verkauf lief jedenfalls so gut, dass Fiat den ursprünglichen Plan revidierte, nur die für die Zulassung des Motors im Motorsport (Homologation) nötige Stückzahl von 500 zu bauen. Zwischen 1966 und Dezember 1968 wurden alleine vom Spider 1.133 Exemplare gefertigt.
Im Herbst 1969, wiederum auf dem Turiner Automobilsalon, präsentierte Fiat die zweite Baureihe von Fiat Dino Spider und Coupé. Während die Karosserie beim Spider weitgehend unverändert blieb (z. B. geänderter Kühlergrill, Stoßfänger mit Kunststoffschutzleiste), wurde die Technik kräftig überarbeitet. Der Motor entsprach in seinen Grundzügen immer noch dem Renntriebwerk. Allerdings war der Block nun aus herkömmlichem Gusseisen gefertigt. Der Hubraum stieg auf 2,4 Liter, die Leistung auf 180 PS bei immer noch beachtlichen 6.600 Touren. Für die Zündung war die „zivilere“ Variante AEC 103 der Dinoplex-Motorelektronik zuständig. Gefertigt wurde der neue Motor bei Ferrari, wo er mit offiziell 194 PS Leistung auch im Dino 246 GT verbaut wurde.
Die starre Hinterachse der ersten Spider-Baureihe war einer Einzelradaufhängung mit Schraubenfedern und einfachen Stoßdämpfern gewichen, die aus dem kurz zuvor präsentierten Fiat 130 stammte. Statt auf 13-Zoll-Felgen rollte der Fiat Dino Spider jetzt auf Leichtmetallrädern mit 14 Zoll Durchmesser. Das Getriebe wurde vom deutschen Spezialisten ZF zugeliefert.
Der überarbeitete Fiat Dino Spider war alltagstauglicher, einfacher zu warten und leistungsfähiger als die Vorgängerversion. Dennoch konnte die zweite Serie nicht an den kommerziellen Erfolg der ersten Baureihe anschließen. Nach 424 gebauten Exemplaren wurde die Produktion 1972 eingestellt.
Die geringen Stückzahlen schlagen sich auch im Preisniveau auf dem heutigen Klassikermarkt nieder. Gute Fiat Dino Spider sind nicht unter 150.000 Euro zu bekommen. Für erstklassige Exemplare der selteneren zweiten Baureihe mit 2,4-Liter-V6 werden auch über 200.000 Euro gefordert.
(c) Meldung/ Foto: Hersteller
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