40 Jahre „Auto des Jahres 1978“
Was ist denn das? Mein Schulfreund zeigte ganz aufgeregt auf etwas Sonderbares am Straßenrand. Es sollte eigentlich ein langweiliger, morgendlicher Weg zur Schule sein. Damals, 1979 gingen wir noch ohne elterliche Begleitung zur Schule. Gut, wir gingen auch schon in die 4. Klasse, gehörten mit unseren neuen Jahren auch schon zu den „Großen“, nicht wie die Erstklässler. Natürlich waren wir Autofans, wie fast alle Jungs damals. Und an diesem Herbstmorgen machten wir eine Entdeckung, die nicht unser Leben veränderte, aber damals zu erhöhtem Herzschlag führte, der bis heute anhält. Inmitten der geparkten Opel Kadett, Ascona und VW Passat der ersten Serie in unserem kleinen Dorf, stand dieses Ufo.
Das haben wohl auch viele Journalisten gedacht, als beim Frühjahrssalon in Genf 1977 das Tuch von diesem Porsche gezogen wurde. Das soll der Nachfolger des damals schon klassischen Porsche 911 sein? Oh weh, ein 2+2 Sitzer, kein Heckmotor, ist denn schon der 1. April und nicht Anfang März?
Zwischenzeitlich sind knapp 40 Jahre vergangen und ich stehe wieder vor dieser 4,45 Meter langen und 1,84 Meter breiten Flunder. Obwohl ich zwischenzeitlich seit meinem neunten Lebensjahr ein wenig gewachsen bin, wirkt der 928 immer noch so gewaltig. Beeindruckend breit, speziell um das markante runde Bootsheck herum. Alleine dieses breite Heckfenster, gefühlt so groß wie das Schaufenster einer Boutique. Und natürlich die markante flache Front mit den kugelrunden Klappscheinwerfern. Wenn man den 928er flach von der Seite betrachtet, wirkt er wie ein Raubfisch der friedlich die Sachlage beobachtet.
„Porsche 928 „Auto des Jahres 1978!“
Nun ist er in seinem zweiten Frühling als Youngtimer, Oldtimer traue ich mich nicht zu ihm zu sagen, obwohl er seit 10 Jahren das „H-Kennzeichen“ trägt, denn er ist immer noch eine imposante Erscheinung. Vor 40 Jahren wurde der Porsche 928 zum Auto des Jahres“ gewählt, als erster Sportwagen überhaupt. Und nun wechsle ich von meinem Siku 1:55 Spielzeugporsche 928 in das Original. Einsteigen, bitteschön.
„Das Porsche 928 Sondermodell“
Auf den ersten Respekt folgt Ernüchterung beim Anblick des äußerst sachlich gestalteten Cockpits. Also das gab 1977 für einen Basispreis von 55.000 DM. Zum Vergleich, für diesen Preis konnte man sich auch fünf Opel Kadett auf die Straße vors Haus stellen. Und für unseren 928 aus dem Jahr 1981 musste man noch eine Schippe drauflegen.
Den dies ist nicht irgendein Porsche 928, sondern einer von nur 140 gebauten Sondermodelle zum Anlass von „50 Jahre Porsche“. Außen in „Meteormetallic“ lackiert und mit einer aufwändigen Innenausstattung in weinrotem Leder und Stoff gehalten. Zusätzlich tragen die Kopfstützen den gestickten F. Porsche Schriftzug. Damals lehnten die Kunden die etwas zu lifestylige Innenraumfarbe ab, weshalb sie es nie in die Serie schaffte und nur in diesem Sondermodell verfügbar war. Heute hat diese Kombi den Hauch des lässigen Understatements, auch wenn es zuerst in den Augen ein wenig kneift.
Hier drin saß also 1981 der Chefarzt der Privatklinik und der Manager eines Konzerns, als er zum Büro oder abends mit der Gattin in die Oper fuhr. Puristisches High End Ambiente der früher 1980er Jahre.
„Das Herz eines jeden Porsche – die Maschine!“
Im Porsche 928 tobt kein kreischender, hochdrehender Boxermotor im Heck. Das würde auch nicht zur Charakteristik eines Gran Tourismo Reisewagens passen, auch wenn der 928 am Anfang dies gar nicht sein sollte.
Eigens für die Genfer Messeneuheit 1977 konstruierte Porsche einen wassergekühlten V8 aus Aluminium mit kurzen Hub. Gerade einmal zwei Nockenwellen pro Zylinderbank mit hydraulischen Tassenstößeln, befüllen die acht Brennräume. Los ging es mit 4,5 Liter Hubraum und 240 PS. Unser Sondermodell von 1981 ist auf Basis des 928 S entstanden, der erstmals auf der IAA 1979 als stärkeres Parallelmodell gezeigt wurde. Mit nun 4,7 Liter Hubraum und glatt 300 PS ließ sich die Zuffenhauser Flunder auf bis zu 250 km/h pressen.
Das probieren wir heute aber nicht aus. Unser Weg führt uns zum Autokino Gravenbruch wo heute Abend der automobile Kultfilm „Car Napping“ gezeigt wird. Als Teil der „40 Porsche in Paris“-Szene, sind wir Teil der Porsche-Parade in der 1. Reihe.
„Endlich – Augen auf!“
Der Höhepunkt eines 928-Piloten naht. Ein kleiner Dreh am Knopf und die Scheinwerfer klappen mit einem starken „Rumms“ nach oben. 40 lange Jahre habe ich auf diesen Moment gewartet. Besser ich mache noch einen Funktionstest, ob sie auch wieder einklappen. Rumms, mit Wucht fallen sie zurück in die schnittige Karosserie.
Im Abendlicht cruisen wir mit dem V8, der so herrlich durch das schräge Zwillingsrohr bollert, in die sommerliche Spätabendsonne. Trotz handgeschalten fünf Gängen und der „Weissach“-Hinterachse, ist er kein Landstraßen-Kurvenräuber. Selbst die neue „Transaxle“-Bauweise, die später auch im 924/944 eingesetzt wurde, konnte den schweren Brocken nicht zum luftig leichten Kurvenräuber avancieren lassen. Er eignet sich eher um einmal quer durchs ganze Land zu fahren. Nur Fahren und Tanken. Und das musste man leider oft. Die acht Pötte wollten gefüllt werden, unter 20 Liter auf 100 km kaum machbar. Dafür werden Autoliebhaber mit einer Geräuschkulisse verzaubert, die niemals aufdringlich ist, aber für Gänsehaut bis zu den Fußspitzen sorgt.
Im herbstlichen Oktober 1995 rollte dann nach gut 61.000 Einheiten der letzte Achtender zu einem Basispreis von stolzen 178.00 DM vom Band. Als Porsche 928 GTS mit 5,4 Litern Hubraum und 350 PS erreichte er bei seiner Paradedisziplin, der Autobahn, bis zu 275 km/h. Aber mehr Leistung fasziniert nicht mehr. Auch heute würde ich mich eher für ein frühes Modell mit den charakteristischen Karo-Stoffsitzen bemühen wollen.
Dieser skulpturale Wagen hätte niemals ein Nachfolger des 911 werden können. Der einzige Denkfehler den die Porsche Verantwortlichen beim 928 gemacht haben. Der Rest ist absolut richtig entschieden und fasziniert heute noch wie damals. Schön dass es dieses Ufo auf die Erde geschafft hat.
Text: Bernd Schweickard
© Foto: Bernd Schweickard